Es ist im wirtschaftlichen Leben ein normales Spiel, beim Geschäftspartner dessen wirtschaftlichen Spielraum aus zu loten. Es gibt aber unterschiedliche Zeiträume, um das Ausmaß dazu zu finden.
So auch, wenn der Lebensmittelhandel derzeit die Preisanpassungen im Apfelmarkt ausreizt. Wie bekannt gibt es in ganz Europa in dieser Saison weniger Äpfel für den Frischmarkt. Beim Rohstoff für die Apfelsaftproduktion fehlt eine Million Tonnen Saftware in Europa. Die Tanklager der großen Saftproduzenten sind vor dieser Saison zur Neige gegangen. Beim stärksten Alternativprodukt zum Apfelsaft, dem Orangensaft, leidet der Weltmarkt unter kontinuierlicher Unterversorgung.
Die Saftindustrie läuft um ihr Leiberl, hat die ständig steigenden Preise akzeptiert und in Erinnerung, dass sie vielleicht am Ende der Kampagne mit halb vollen Tanks da stand, wenn sie die Zeichen der Zeit falsch einschätzen.
Im Lebensmittelhandel-Frischmarkt ist letzte Woche etwas sonderbares passiert.
Trotz generell geringer Ernte hat die erste Lebensmittel-Handeslkette versucht, den Preis massiv nach unten zu pressen. Sie wollen wissen, was möglich ist.
Auf der anderen Seite, bei den Anbietern, ist das gerade zu diesem Zeitpunkt nicht gut angekommen, ja sogar auf Unverständnis gestoßen.
Die Vermarkter von Äpfeln sind ihren Bauern gegenüber verpflichtet, als Marktmittler so viel Geld vom Markt zu holen, dass eine normale Produktion nach kaufmännischen Grundsätzen möglich ist.
Jetzt ist aber die Situation, dass Apfelbauern in den letzten acht Jahren sechs Jahre mit Frostbeeinrächtigung hatten und dass sie die Kostensteigerungen der letzten drei Jahre in der Höhe von etwa dreißig Prozent in den letzten beiden Jahren nicht am Markt unter gebracht hatten.
Viele Obstbauern stehen mit ihrer Liquidität mit dem Rücken zur Wand.
In genau dieser Situation kommt der LEH daher und versucht, die Bauern wie eine Zitrone aus zu pressen. So empfinden dies zumindest die Bauern. Von Partnerschaft im Marktgeschehen ist da derzeit nichts zu spüren.
Die Apfelbauern können mittlerweile gut die Verursacher ausmachen. Es ist nicht die Politik, auf die man alles abschieben kann.
Wenn solche Aktionen öfter vorkommen, dann kann es sein, dass über Nacht hundert oder hundertfünfzig Bauern in Begleitung von Medien plötzlich vor der Zentrale eines Handelskonzerns stehen und den Vorstandsvorsitzenden zu einem klärenden Gespräch „bitten“.
Fritz Prem