Die Pokerspieler kennen diesen Begriff wahrscheinlich aus leidvoller Erfahrung. Man hat ein gutes Blatt in der Hand und glaubt die Gunst der Stunde voll für sich nutzen zu können. Gedanklich hat man den Pot schon ein gestreift - und dann geht man trotzdem leer aus.
Ein wenig kommt mir die Situation in der Obstbranche wie kurz vor einem Bad-Beat vor. Einkäufer von Äpfeln und Birnen in Europa wähnen die Gunst der Stunde auf ihrer Seite. Die Prognosen zeigen unkommentiert eine große Gesamternte in Europa an. Die oberflächlichen Kunden sehen sich weniger genau an, wo und in welchen Segmenten mehr oder nur gleich viel ist wie in den Jahren zuvor.
Es wird versucht, die allgemeine Stimmung für günstige Käufe zu nutzen. Dabei wird die Situation über strapaziert. Ich vernehme die ersten Unsicherheiten bei Aufkäufern, ob man mit dem derzeitigen tiefen Preisniveau bei konventionellem Industrieobst den Bogen nicht nach unten überspannt hat.
Erste Anzeichen: Wenn große Verarbeiter bei für sie bisher nicht genutzten Aufkäufern nachfragen, ob man vielleicht heuer „was machen kann“. Es gibt nichts schlimmeres für sie, als ihre Produktion mitten in der Kampagne ab stellen zu müssen. Die Rohstoffzufuhr ist abgebrochen, weil man sich verzockt hat.
Zum einen waren die Produzenten an einer Schmerzgrenze angekommen, wo sie die Aufsammel-tätigkeit auf gegeben haben. Bei ihnen sind nur 5 oder 6 Cent angekommen. Sie haben ihr Erntepersonal nach Hause geschickt. Game over für diese Saison.
Zum Anderen gibt es halt doch einen Mitbewerb, der etwas früher bereit war, auf den tiefen Rohstoffpreis etwas drauf zu legen um dann aus dem Vollen zu schöpfen. Selbst hat man dann die Rolle eines Bubble-Boys zu spielen, also einer der leider ganz knapp am großen Geld vorbei schrammt.
Da hilft es auch nicht, die unreflektierte Geschichte von der großen Ernte möglichst oft zu wiederholen. Im Detail steckt der Schlüssel zum Erfolg.
Wir haben derzeit in Europa sehr unterschiedliche Rohstoffpreise. Überall dort, wo Produzenten und Anbieter einen besseren Überblick über die Marktsituation haben wie ihre Kunden, überall dort ist der Preis höher wie in jenen Regionen, wo das Sammelgut vom Bauern beim Vorverdichter über die Rampe gekippt wird, egal was er gerade bezahlt.
Auch das ist eine ungeschriebene Spielregel am Markt.
Fritz Prem