Kolumn

Begnadete Verkäufer

Es ist für mich jedes Mal ein Erlebnis der Sonderklasse, wenn ich einen begnadeten Verkäufer über die Schulter blicken kann. Wenn ein guter Verkäufer wirklich erfühlen kann, welche Wünsche und Sehnsüchte ein Kunde in Verbindung mit dem Produkt hat.

Daran erkennt man den Unterschied zwischen einem angelernten und einem begnadeten Verkäufer. Ein guter Verkäufer mag seinen Kunden. Ein guter Verkäufer wird seinem Kunden dessen Wünsche erfüllen. Er hat zu ihm eine Basis aufgebaut, bei der er auch seinem Kunden erklären kann, was seine Wünsche kosten, damit er sie erfüllen kann. Das gehört zum „Einmaleins“ eines guten Verkäufers.

Ich treffe immer wieder auf Vertriebsorganisationen, die versuchen, das „Gespür“ eines begnadeten Verkäufers durch technische Algorithmen und ausgeklügelte Computerprogramme zur Entscheidungsfindung und zum „Controlling“ von Verkaufsentscheidungen zu installieren. Bei einfachen und wiederkehrenden Problemstellungen im Verkauf funktionieren sie einigermaßen passabel.

Die Klassiker von „Bruchlandungen“ solcher Systeme im Vertrieb haben wir bei den großen Börsencrash-Szenarien mit aller Härte vor Augen geführt bekommen. Computerprogramme haben aus einem Trend herausgerechnet, wann Aktien zu verkaufen sind. Zu blöd, wenn alle Entscheidungsfindungsprogramme in der gleichen Branche am ähnlichen Punkt anspringen.

Ich verfolge mittlerweile mit Aufmerksamkeit, dass diese Versuchung im Frische-Vertrieb auch stärker Fuß fasst. Buchhalter und Controller bringen ein, dass auch im Verkauf eins und eins zwei sei. Am Ende des Tages ja – dazwischen nicht immer. Wirklich erfolgreiche Verkäufer beweisen dies.

Diese Algorithmen können zB fast nie unterscheiden zwischen Eintrittsgeld zu einem neuen Kundenkreis oder notwendigen Listungsgebühren. Sie können oft nicht unterscheiden ob ein Kunde auch eine schwierige Situation hat oder ob der Kunde von Haus aus die Grundstrukturen eines rücksichtslosen Egoisten hat.

Diese „Verkäufer-Überwachungsprogramme“ (Originalzitat eines Controllers) gehen von der Logik aus, dass manche Verkäufer ihre Kunden zu sehr lieben und ihnen so zu sagen alles richten und noch eine Zugabe dazu.

Am meisten allergisch reagieren Controller, wenn Verkäufer durch ihr Verkaufsverhalten neben dem nicht erlösten Preis auch noch Zusatzkosten in der Produktion bewirken (durch zu kleine Losgrößen  oder Sonderverpackungen).

Auch hier gilt der Grundsatz wie überall im Leben: love it, change it or leave it – wobei dies mit dem Verändern bei einem begnadetem Verkäufer meist nicht funktioniert.

Fritz Prem