Kolumn

Die erfolgreichen Neuen (EN)

Die Insolvenz eines großen Lebensmittel-Handelshauses in Österreich ist derzeit in aller Munde. Die Eigentümerfamilie hat diesen Schritt aus den Zwängen heraus gesetzt. Vor Weihnachten ist der Focus in der Öffentlichkeit bei den betroffenen Mitarbeitern, auf die eine schwierige Zeit zukommt.

Ein wenig geht dabei die Anschlussinsolvenz des wichtigsten Fleisch- und Wurstlieferanten unter, der fast Zeitgleich Insolvenz anmeldete. Man kann der Unternehmerfamilie dieses Unternehmens ebenfalls vorhalten, dass es ihr Beitrag zu dieser Situation war, dass sie den Großteil ihres Geschäftes auf „eine Karte“ gesetzt hat. Damit war aber erst die Entwicklung einer starken Regionalmarke möglich. Ich kenne viele der Betroffenen seit Langem persönlich.

Damit ist es wieder einmal Zeit, darüber nach zu denken, welche längerfristigen Auswirkungen diese Zielpunkt-Insolvenz für uns in Österreich hat.

Trotz aller Prüfungen der Wettbewerbshüter wird es zu einer weiteren Konzentration im Lebensmittelhandel kommen. Bisher hatten die vier größten Lebensmittelhändler in Österreich gemeinsam einen Marktanteil von 91% vom gesamten Lebensmittelhandel. Nach den intensiven Prüfungen der Wettbewerbshüter werden es wahrscheinlich 94% sein. So funktioniert eine „schleichende“ Konzentration der Nachfrage in der Branche.

Für die Anbieter von Obst- und Gemüseprodukten heißt dies, dass sich die Anzahl der Anbieter, Erzeugergruppen oder Erzeugerorganisationen bei noch weniger potentiellen Kunden anstellen werden müssen, um ihre Produkte in den Handelskreislauf ein zu bringen. Abhängigkeiten werden sich weiter verschieben.

Gibt es eine Möglichkeit, aus dieser Spirale aus zu brechen, in der die Produzenten immer mehr zu einem Objekt werden, das man nach Belieben auslutschen kann?

Ja es gibt gute Beispiele! Bei der letzten, international besetzten ICOP-Generalversammlung wurden Bespiele dargestellt, wo ein erfolgreicher Weg auch in einer solchen Handelskonzentration möglich ist. Dies funktioniert aber nur dann, wenn über Sonntagsreden hinaus ein echtes und tiefes Zusammenstehen in der Branche da ist. Wenn gemeinsame Interessen über dem Einzelnutzen stehen und Egoisten und „einsame Wölfe“ auf der Strecke bleiben. Dies umso mehr, je kleiner die ursprünglichen Einheiten sind.

Ich orte schön langsam bei den „EN“ (erfolgreichen Neuen) einen Wertewandel und nehme ein geändertes Erfolgsrezept wahr: Nicht der Schaden eines Konkurrenten bringt ihnen den Erfolg, sondern der einzigartige Nutzen, den sie für ihre Kunden und Lieferanten aufstellen – ein bisher ungewohntes Erfolgsrezept.

Prem 48/2015