Wir wissen es alle: die Politik ist an allem Übel schuld. Wir haben uns ganz gut antrainiert, unsere Forderungen gegenüber der Politik zu formulieren und zu artikulieren. Aber wer ist „die“ Politik?
In den letzten Tagen haben wir in einer Reihe von Besuchen bei politischen Vertretern, Ämtern und Behörden anlässlich „Tag des Apfels“ unsere Situation erklärt, um Verständnis für unsere Situation zu erwirken.
In der Nachbetrachtung der Reaktionen ist uns bewusst geworden, dass es „die“ Politik nicht gibt.
Jeder Vertreter einer politischen Richtung oder eines Berufsstandes ist neben seiner Entlohnung aus ganz besonderen Gründen und Motiven im diesem Metier tätig. Es hat wenig Sinn, zB. sich über die großen Schwierigkeiten, die zur Erlangung von Wasserrechten für eine landwirtschaftliche Bewässerung entstehen, zu beklagen, wenn der politische Mandatar dies nicht in seinem unmittelbaren Wirkungsbereich hat. Genüsslich verweist er meist darauf, dass er dafür nicht zuständig ist und dass sein politisch zuständiger Kollege anscheinend eine Niete ist, sonst hätte dieser das Problem schon längst gelöst. Auch Beschwerde zu führen will gelernt sein.
Am einfachsten ist es, eine Beschwerde am Biertisch zu führen. Wir finden meist schnell den Schuldigen und sehr oft eine breite Zustimmung. Unseres Frusts haben wir uns entledigt, verändert haben wir nichts.
Diffiziler wird es schon, wenn wir, wie in unserer Demokratie vorgesehen, unsere Veränderungswünsche und Notwendigkeiten über Berufsverbände oder politische Gesinnungsgemeinschaften entwickeln und uns damit demokratische Mehrheiten für die Umsetzung suchen müssen. Auch das ist nach meinem Verständnis ein Handwerk, das man erlernen muss.
Im Zuge dieser Tätigkeit wird man konfrontiert mit Ansichten und Notwendigkeiten, die genau entgegengesetzt zu den eigenen Wünschen sein können. Gerade dort wird politisches Handwerk in seiner vollendeten Form ersichtlich.
Wenn wir in unserem sozialen Umfeld in alltäglichen Bereichen kleine Aufgaben übernommen haben, so muss man in einer ruhigen Stunde zur Kenntnis nehmen, dass man Teil der Politik geworden ist. Wir haben zwar nicht über Kriegseinsätze irgendwo auf der Welt zu entscheiden, aber wie oben erwähnt die Erlangung eines Wasserrechtes kann uns einiges abverlangen. Wen wir dann noch für ein Recht unserer Kollegen mit streiten, dann sind wir Politiker in der klassischen Definition.
Also die Erkenntnis: Wir alle sind Politik!
Prem 47/2015