Kolumn

Glashaus und Steine

Wer im Glashaus sitzt, der soll nicht mit Steinen werfen, so ein altes Sprichwort. Dies ist mir bei der technischen Exkursion der Prognosfruit 2018 in Polen in den Sinn gekommen. Die Teilnehmer des Kongresses hatten die Möglichkeit, sich vor Ort ein Bild über die Entwicklung des polnischen Obstbaues zu machen und sich an den Errungenschaften einer effizienten EU-Förderpolitik mehr oder weniger zu erfreuen.

Polen ist der größte Apfelproduzent in der Europäischen Union. Durch die niedrigen Getreidepreise sind viel Ackerbauern im großen Stil zu Obstbauern geworden. Die für EU-Verhältnisse niedrigen Stundenlöhne in einer handarbeitsintensiven Kultur sind ein zusätzlicher Antrieb. In den letzten Jahren schwappte eine große Welle an EU-Fördergelder über die polnische Obstwirtschaft und brachte einen noch nie da gewesenen Erneuerungsschub in der Produktion, Lagerung, Verpackung und Logistik.

Das Ergebnis ist, dass polnische Äpfel von Skandinavien bis Sizilien mit extrem günstigen Angeboten den Markt aufrollen. In der EU-Statistik lagen in den letzten drei Jahren die polnischen Angebote im Großhandel ziemlich genau bei fünfzig Prozent des Preises im Vergleich zu Herkünften aus Italien, Frankreich oder Deutschland.

Man kann es den Kunden gar nicht verübeln, dass sie lieber zu einem polnischen Jonagold greifen, der gleich aussieht, annähernd gleich schmeckt, die gleichen Qualitätskriterien erfüllt, gleich verpackt ist und die gleiche Logistik anbietet. Aber halt nur zum halben Preis.

Aber schauen wir einmal ein paar Jahrzehnte zurück, als alle neidvoll über den Brenner blickten und zusahen, wie eine Obstwirtschaft in Südtirol mit einem ähnlichen Geldsegen ihre Infrastruktur aufbaute. Oder aber auch die großen Erzeugergemeinschaften in Frankreich, die Nutznießer dieser Förderungspolitik waren. Einige Jahre später kamen andere Regionen auch auf diese Idee, nur zu deutlich niedrigeren Fördersätzen.

Wenn man das Ergebnis dieser Förderschwemme ansieht, so hat sie doch in den jeweiligen Regionen sehr unterschiedliche, längerfristige Auswirkungen gebracht. In Südtirol als typisches Beispiel der einen Seite, brachte es eine größtmögliche Stärkung von relativ kleinen Betrieben, die sich obendrein zu einer gebündelten Angebotsmacht in Europa entwickelt hat.

Auf der anderen Seite waren in Polen große Betriebe die Nutznießer, die sich jetzt am Markt als viele ernst zu nehmende Einzelkämpfer positionieren können.

Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

Fritz Prem