Während sich die Wirtschaft schön langsam von all den Einschränkungen der Pandemie erholt, gibt es an einer anderen Stelle bereits seit Wochen Hochbetrieb.
Wo viel in Bewegung ist, da kann man viel verändern. Nach diesem Motto haben jene Strategen Hochbetrieb, die nach dem Ende der Einschränkungen für ihren Sektor eine stärkere Position erarbeiten als vorher.
Einen kleinen Teil davon möchte ich hier vor den Vorhang holen.
Im hoch konzentrierten Lebensmittelhandel haben sich Spielregeln entwickelt, die ein Funktionieren in der jetzigen Form erst ermöglichen. Im Laufe der Zeit hat sich der LEH (Vollsortimenter und Diskonthandel) eine Position erarbeitet, in der er die Wertschöpfungskette im Wesentlichen steuert. Der LEH hat alle Dienstleistungen an die billigsten und effizientesten Stellen zugeordnet.
So ist es zur derzeitigen Situation gekommen, dass der LEH grundsätzlich über sein System entscheidet, welchen Preis der Konsument für ein Produkt an der Registrierkasse abliefert. Als „Steuermann“ der Wertschöpfungskette verteilt er dann die Margen.
Die „Effizienz-Schraube“
Dies führt dazu, dass Produzenten, Dienstleister und Zulieferer ihren Platz zugewiesen bekommen und oft unter der „Effizienz-Schraube“ des Systems leiden.
In der Krise finden sich plötzlich Mitbewerber, denen ihre Lage mit unbarmherziger Härte vorgeführt wird. Sie haben das beste Produkt und die beste Dienstleistung zum billigsten Preis zu liefern. Dabei kommen sie beinahe oder sogar öfter selbst unter die Räder.
Die Produzenten von Lebensmitteln haben in letzter Zeit ihre Wut mittels Traktorprotesten vor den Parlamenten, Ministerien und Büros der Bauernverbände freien Lauf gelassen. Es war ihnen nicht bewusst, dass dies die falsche Adresse ist. Sie haben sich nur den Ärger der Konsumenten wegen der verstopften Verkehrswege eingehandelt.
Ja dürfen sie das?
Die wirklich großen Denkfabriken der Bauern analysieren gerade die hoch effiziente aber auch äußerst fragile Struktur unseres Lebensmittelhandels. Sie sind fündig geworden bei den regionalen Auslieferungszentralen. Eine Traktorblockade aller Auslieferungslager eines einzigen LEH-Konzernes zum gleichen Zeitpunkt (alle übrigen können ungehindert die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicher stellen) ist der Supergau für den betroffenen Konzern.
Da kommen wir an die Frage, ob Bauern dies dürfen. Es ist eine ähnliche Frage, ob sich Lokführer, Straßenbahnführer und Buslenker gewerkschaftlich organisieren dürfen. Sie könnten auch über Nacht auf gewerkschaftliches Geheiß die gesamte Infrastruktur lahmlegen.
Fritz Prem