Bisher war es doch immer so, dass sich der Rohstoffpreis bei Pressobst daran orientiert hat, ob ein starkes Produktionsjahr war und wie groß das Angebot im Herbst ist.
Wenn eine durchschnittliche Industrieobst-Ernte ins Haus stand, auch dann haben es Keltereien geschafft, die bisherigen Preise in den Boden zu rammen. Sie haben, wie am Beispiel des Bio-Industrieobstmarktes 2021 im Süden von Deutschland, vor der Ernte die längerfristigen Verträge gekündigt und damit die Lieferanten am falschen Fuß erwischt. Damit war es für sie ein leichtes, den sich abzeichnenden Preis vor der Kampagne beinahe zu halbieren. Sie haben mit dem billig ein gepressten Inhalt ihrer Lagertanks kaum eine Steigerung des Bio-Apfelsaftkonsums zu Wege gebracht. Geschweige denn neue und attraktive Produkte entwickelt. So viel zur Verantwortung für eine ganze Branche.
Für das heurige Jahr ist eine gute Industrieapfel-Ernte prognostiziert. Die Frage ist nur, für wen der Begriff gut gilt.
Wie leer sind die Tanklager
Wir finden aber in dieser Situation eine zweite Komponente vor, die den Preis wesentlich beeinflussen kann: wie leer geräumt sind die Lager der Keltereien und Konzentrathersteller.
In diesem Punkt haben wir heuer eine stark veränderte Situation. Europäische Konzentrathersteller haben bis jetzt auf Grund der Weltwirtschaftssituation sehr starke Kontrakte mit Nordamerika abgeschlossen und damit ihre Lager vor Beginn der neuen Saison weitgehend frei bekommen.
Dies nimmt den wirtschaftlichen Druck und im Einkauf des Rohstoffes wäre ein wirtschaftlicher Spielraum möglich.
Das Geld muss vom Markt kommen
Das Geld zum wirtschaftlichen Erfolg muss vom Markt kommen und nicht von Förderungen, der öffentlichen Hand oder aus Mitleidskampagnen für die „armen“ Bauern.
In unserem derzeitigen System ist es doch so, dass nicht der einzelne Bauer selbst mit der Industrie den Preis verhandelt, sondern sein Händler. Er hat die Funktion des Marktmittlers. Von ihm hängt es ab, ob im heurigen Jahr bei leeren Tank-Lagern ein größerer Teil zum Bauern kommt oder nicht.
Wenn mir Händler erklären, dass sie gegen die großen Keltereien und Konzentrathersteller immer in der schwächeren Position seien, so gibt es bei solchen Erklärungen von meiner Seite immer die gleichen zwei Standardfragen:
Wie lange weißt du um dieses Ungleichgewicht am Markt?
Seit wann unternimmst du etwas dagegen?
Ich bin gespannt, welche Professionalität die Marktmittler in dieser Saison an den Tag legen.
Fritz Prem