Kolumn

Morgenluft

„Doch still, mich dünkt, ich wittre Morgenluft“ kommt mir frei nach Shakespeare in den Sinn, wenn ich die Eindrücke der letzten zwei Wochen in Gedanken vorbei ziehen lasse.

In meinem Bekanntenkreis leiden viele Milchbauern ein Jahr nach der Freigabe der Milchquote an einer kräftigen Überproduktion, obwohl sie vorher massiv Stimmung dagegen machten. Ebenso leiden viele Schweinebauern darunter, dass die großen Schlachthöfe Europas sich in die Situation eines Oligopols hinein entwickelt haben, mit dem Argument der Kostensenkung in der Verarbeitung. Dass damit ebenfalls eine Verschiebung der Marktmacht passiert ist, dämmert dem einen oder anderen schön langsam. Genau die gleiche Entwicklung fand im Geflügelbereich statt, wo sogenannte „Kopf-Betriebe“ in der nachgelagerten Produktion für die Warenströme die Flaschenhälse sind. Im Obst- und Gemüsebereich hat der Lebensmittelhandel versucht, durch ein regelmäßiges Auswechseln der Lieferanten den Einkaufspreis niedrig zu halten und die Steuerung der Wertschöfpungskette unter anderem auch durch Eigenmarken in der eigenen Hand zu behalten.

Wo bleibt der Produzent von Obst, Gemüse, Milch, Fleisch und Eiern? Er muss wie in einem Hamsterrad ständig um sein wirtschaftliches Überleben laufen, indem er ein noch besseres Rohprodukt um einen noch billigeren Preis herstellt und der nächsten Verarbeitungsstufe andient. Wenn er nicht „spurt“ bleibt er auf seinem Produkt sitzen und sein direkter Kunde, der Verarbeiter, setzt ihn auf die Straße oder gibt ihm ständig das Gefühl, dass er ohne ihn sowieso nicht bestehen kann.

Dies sind Spielregeln des Marktes, nach denen bisher gespielt wurde.

Im Grunde sind wir alle Dienstleister für den Konsumenten. Ich spüre schön langsam, aber unübersehbar, dass Entwicklungen wach werden, ähnlich dem ersten Morgenrot am Tag. Der Lebensmittelhandel, der die unmittelbare Kontaktstelle zum Endkonsumenten ist, beginnt in seinen Strategie-Stabsstellen einen geänderten Zugang zur bisherigen Situation zu entwickeln.

Es wächst die Sehnsucht, eine direkte Verbindung von sich als Marktmittler des Endkonsumenten zum Produzenten des Ausgangsproduktes her zu stellen. Das heißt, der LEH und Erzeugergemeinschaften werden sich direkt finden und feste Vereinbarungen treffen. Für alles, was man dazwischen braucht, wird es Dienstleister im wahrsten Sinne des Wortes geben.

So deutlich habe ich die Sehnsüchte schon lange nicht gespürt. Mit einhergehend spüre ich die frische Morgenluft.

Fritz Prem 09/2016