Agrarkommissar Ciolos hat die komplette Neufassung der EU-Bio-Verordnung in Auftrag gegeben. Er selbst und sein Nachfolger Hogan sehen sich mit massiven Widerständen konfrontiert. Als langjähriger Insider muss ich gestehen, dass die Problematik mehrschichtig ist.
Die bisherige EU- Bio-VO ist die älteste agrarische Verordnung, die erstmals für alle EU-Staaten gleich Gültigkeit hat. Nach den Lissabonner Verträgen ist diese VO innerhalb einer Frist an die in diesem Dokument geregelten Strukturen einer EU-VO an zu passen. Es geht hier um technokratische Regeln.
Die bisherige EU-Bio-VO wurde in regelmäßigen Abständen mit Novellierungen an die neuesten Erkenntnisse angepasst. Sie wird daher von den Kritikern als „Flickwerk“ bezeichnet, obwohl sie den derzeitigen Anforderungen an ein Regelwerk für den Biobereich entspricht.
Der Agrarkommissar wollte bei der Gelegenheit alles neu aufsetzten lassen und hat die Biobranche in Europa zu diesem Zeitpunkt am falschen Fuß erwischt. Die Biobranche ist es von ihren Ursprüngen her gewohnt, vieles basisdemoktratisch zu entwickeln. Dies dauert zwar länger und der kleinste gemeinsame Nenner ist oft der Kompromiss, aber er ist nach Abschluss des Prozesses in der Branche verankert. Die Verordnungsmacher in der EU sind meist eine handvoll Technokraten, die das Herstellen von Verordnungen gut gelernt haben, aber zu Bio kaum einen Bezug haben. Somit gibt es von dort auch kaum Verständnis für regionale Sonderregelungen. Von dieser Seite gibt es erst recht kein Verständnis dafür, dass jemand außerhalb der Technokraten eine Verordnung novellieren soll. Hier prallen zwei Unternehmenskulturen frontal aufeinander.
Die europäische Biobranche war auf ein komplettes Neuschreiben der EU-Bio-VO nicht vorbereitet. Somit kamen von dort zu diesem Zeitpunkt keine klaren Botschaften. Aus Ermangelung an koordinierten Inputs zu diesem Zeitpunkt haben Technokraten den Entwurf der EU-Bio-VO aus ihrer Sicht neu formuliert.
In meinen Augen der schlimmste Irrweg im neuen Vorschlag ist die neue Definition von Bio: wenn im Produkt keine labortechnisch definierten Rückstände gefunden werden, dann ist das Produkt Bio, wenn welche gefunden werden, dann ist es nicht Bio. Damit wird nicht garantiert, dass die Produktion dieses Produktes im Einklang mit der Natur, im Denken in Kreisläufen und im Sinne einer echten Nachhaltigkeit passiert.
Bioproduktion muss auch in Zukunft einen Gesamtprozess garantieren und nicht nur verkürzt sein auf die Ergebnisse eines Untersuchungslabors.
Prem 02/2015