Schön langsam dämmert es den westeuropäischen Produzenten: sie werden mit dem typischen „Ost-Sortiment“ bei Äpfeln in Zukunft kein Geld verdienen. Überall dort, wo es die gleiche Sorte in Polen auch zu kaufen gibt wird der Preis ins uferlose nach unten abgleiten.
In Polen gibt es gute und fleißige Erzeuger. Die Branche ist aber dort nicht in der Lage, sich selbst im Vertrieb zu organisieren. Somit haben wir momentan die Tatsache, das polnische Jonagold oder Idared in Europa im Großhandel um den halben Preis von deutschen oder italienischen Äpfeln gleicher Sorten gehandelt werden. Dies wird in den nächsten Jahren noch dramatischere Formen annehmen. Auch wenn Herkunftsmarken versuchen werden, polnischen Idared von westeuropäischen Idared ab zu grenzen, so wird bei einem so großen Preisunterschied ein kriminelles Potential wach.
Als Lösungsansatz haben es die schnellen Denker erfasst: ein neues und somit anderes Sortiment ist notwendig! Damit beginnt die nächste Herausforderung. Neue und lukrative Sorten sind vom Züchter ausschließlich als „gemanagte“ Sorten oder Club-Sorten erhältlich. Auf der einen Seite hat ein Wettlauf von Erzeugergruppen um die besten neuen Sorten begonnen. Dies „festigt“ die Position der Züchter und Lizenzgeber. Sie bekommen mit jeder neuen Anfrage einen Gradmesser, was ihre Sorte wert ist.
Auf der anderen Seite ist es so, dass sich ein großer Züchter bei der Vermarktung seiner neuen Sorte in erster Linie um die großen Erzeugergruppen in einer Region bemüht, da dahinter auch eine gewisse Marktrelevanz steht. Darüber Hinaus ist ein Gesamtkonzept von der Baumschule bis zum Konsumenten wesentlich effizienter um zu setzen. Wenn ein Konzept greift, dann ist auch eine zufriedenstellende Verteilung der Marge gewährleistet.
Dieser Gedankengang endet mit zwei Konsequenzen. Ein geschäftstüchtiger Lizenzgeber wird nie in Versuchung kommen, seine wertvolle Sorte in ein System ein zu bringen, das nicht in der Lage ist, seinen Vertrieb gewinnbringend zu organisieren.
Ein geschäftstüchtiger Lizenzgeber wird auch kein besonderes Interesse haben, mit irgendeiner Splittergruppe oder gar mit größeren Einzelbetrieben in einer Region sein Konzept um zu setzen. Es sei denn, es geht um Randsortimente in kleinsten Mengen. Nur eine rasche Marktrelevanz für den Hochpreismarkt ist von Bedeutung.
Es ist spannend, in welcher Raschheit derzeit hier neue Entwicklungen in den traditionellen Obstregionen Europas Platz greifen.
Fritz Prem 07/2017