Wenn Handelsriesen wie Aldi mit ihrem „Tierwohl-Gedanken“ einen endlosen Disput zwischen Bauernverbänden und der Politik über Tierwohl-Standards durch Fakten abkürzen, so nennt man dies eine „Normative Kraft“.
Aldi kündigt an, bis 2030 nur mehr Frischfleisch aus Außenklimaställen und Biohaltung an zu bieten. Kompromisslos. Mit diesen Fakten wird ein jahrelanges Hin und Her zwischen Erzeugern und Gesetzgeber über gesetzliche Verordnungen und Intensität der Umsetzung von Entwicklungen vorweg genommen.
Wo lag der Denkfehler bei den Erzeugerverbänden? Man hat die Rechnung ohne den Wirt/Kunden gemacht.
In der Obst- und Gemüsebranche etabliert
Wir kennen dies in der Obst und Gemüsebranche seit mehreren Jahren. Während sich Obst- und Gemüsebauverbände mit der Politik einen zermürbenden Streit über gesetzliche Regelungen für Pflanzenschutzmitteleinsatz, Zulassung, Wirkstoffverteidigung und Höchstwerte bei Rückständen lieferten, hat die Normative Kraft in der Wertschöpfungskette Fakten geschaffen.
Wir leben seit mehreren Jahren damit, dass bei Kundenprogrammen Obst und Gemüse mit nur 3 oder 4 Wirkstoffen als Rückstände angeliefert werden dürfen. Obendrein ist es oft so, dass bei Rückständen nur 10% des gesetzlichen Höchstwertes vorhanden sein dürfen.
Die Normative Kraft des Handels hat dies in ein bis zwei Jahren geschafft, was beim Gesetzgeber erst in einem mehrjährigen Prozess möglich gewesen wäre. Das Sonderbare an diesem Vorgehen ist, dass es eigentlich die Marketing-Strategen der Handelskonzerne waren, die den Offenbarungseid eingefordert haben, was möglich ist uns was nicht.
Produzentenverband gegen Marketingstrategen
Somit gehen in einem solchen Vorgang alle Beteuerungen von Bauernverbänden, was alles nicht möglich ist, ins Leere. Wenn dies öfters vorkommt, dann werden solche Aussagen bald als „warme Luft“ wahrgenommen und immer weniger wirksam.
Wo lag der strategische Fehler der Produzentenvertretung? Man hat eine zweiteilige Strategie entwickelt.
Gegenüber dem Lebensmittelhandel stellt man sich gerne als Märtyrer dar, die gegenüber einer Macht vom Handel schutzlos ausgeliefert sind. Diese Haltung ist eine regelrechte Einladung, von der Normativen Kraft Gebrauch zu machen.
Auf der anderen Seite versuchte man möglichst alle Notwendigkeiten der Produktion über gesetzliche Regelungen ab zu sichern. Dies mit der Idee, wenn sie für alle gelten, dann gibt es kein anderes Produkt am Markt und man muss sich in diesem Bereich nicht gegenseitig ausspielen lassen.
Ganz einfach ein Trugschluss – wie die jüngere Geschichte beweist.
Fritz Prem