In der Mythologie wird beschrieben, dass der Phönix ursprünglich aus der Asche des Osiris entstiegen sei. Dies anscheinend in einer Perfektion, da dieses Ritual als Symbolik über einen langen Zeitraum von mehreren tausend Jahren durch verschiedene Kulturzeiträume bis heute als verständliches Bild geblieben ist.
In der Ausbildung zum Mediator philosophiert man mit seinen Trainern mehr als einmal darüber, ob man in komplett verfahrenen Konfliktsituationen versucht zu beruhigen und zu besänftigen, oder ob man zusieht, wie alles in Schutt und vor allem Asche versinkt.
Die erste Erkenntnis all dieser Gespräche: es gibt kein Patentrezept für all diese emotionsgeladenen Situationen. Es hängt im Wesentlichen von den Mitspielern ab.
Die zweite Erkenntnis: All jene, die bisher dagewesenes in Schutt legen, übersehen meist, dass sie auch sehr viel Asche produzieren – aus der ein Phönix emporsteigt.
Dieser Teil der Mythologie kam mir in den Sinn, als ich die aktuellen Entwicklungen der letzten Tage in der bisher größten Erzeugerorganisation für Obst in Österreich mitbekommen habe. Auf der Fruit Logistica in Berlin gab es neben der Pflege der internationalen Kontakte und dem Beobachten neuer Markttrends auch tiefe und teilweise sehr emotionsgeladene Einblicke in den neuesten Stand der Entwicklungen in der etwa tausend Kilometer entfernten Heimat. Das Ei für den Phönix ist gelegt – nur glaubt jeder, dass aus „seinem“ vermeintlichen Ei der Phönix schlüpfen wird! Schon allein deshalb ist und bleibt die Entwicklung der nächsten Zeit spannend.
In solchen Situationen sind Nebenschauplätze oft unbeachtet. Langjährige und treue Mitarbeiter verlieren ihre Jobs, haben ein Alter, das einen Neueinstieg schwierig macht. Gut etablierte Strukturen und Sicherungseinrichtungen, die man als Selbstverständlichkeit empfunden hat, gehen mit nieder. Wegstreiter, die bisher Seite an Seite für eine gemeinsame Sache gestanden sind, stehen sich plötzlich gegenüber. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus Nebenschauplätzen sehr viele strahlend aus der Asche emporsteigen, ist sehr gering.
Es wäre hier vielleicht auch angebracht, in diesem Zusammenhang über das Phänomen „Bauernopfer“ aus dem Schachspiel zu philosophieren. Aber belassen wir es heute einmal bei der titelgebenden Mythologie.
Fritz Prem 06/2016