Eigentlich hätte am Wochenende das beliebte Südtiroler Erdbeerfest stattfinden sollen. Leider ist auch diese Großveranstaltung den Corona-Einschränkungen zum Opfer gefallen. Trotzdem ist die Erzeugergenossenschaft Martell MEG heuer gut in die neue Erdbeersaison gestartet. Die Genossenschaft rechnet mit einer normalen Erntemenge um die 350 Tonnen. Dabei wäre der Markt für viel mehr Erdbeeren vorhanden.
Betriebsleiter Philipp Brunner: ideale Voraussetzungen zum Saisonstart. Foto: VI.P
Betriebsleiter Philipp Brunner spricht von idealen Voraussetzungen zur diesjährigen Saison, die mit der Anlieferung der ersten Erdbeeren Anfang Juni eingeläutet wurde. Die Voraussetzungen sind heuer wesentlich besser als im Vorjahr. Es gab im Winter mehr Schnee, das Frühjahr war frostfrei und bisher blieb man von Hitzewellen verschont. „Letztes Jahr hatten wir um diese Zeit eine enorme Hitzewelle, hoffentlich schlittern wir heuer nicht in die gleiche Situation hinein“, hofft Betriebsleiter Philipp Brunner.
Rechtzeitige Corona-Lockerungen
Betriebsleiter Philipp Brunner bedauert, dass das heurige Erdbeerfest ausfallen musste, das immer tausende Besucher ins Freizeitzentrum Trattla nach Martell zieht. Allerdings sind die allgemeinen Corona-Lockerungen noch rechtzeitig gekommen, damit zumindest teilweise auch die nötigen Erntehelfer eingesetzt werden können. Genügend Erdbeer-Erntehelfer zu finden, ist an sich schon eine große Herausforderung. Dabei geht es um einige hundert Personen, die vorwiegend von auswärts kommen und die anstrengende Pflückarbeit in den Feldern erledigen. Philipp Brunner: „Es gibt Kleinstbetriebe, welche ihre Erdbeerernte selbst machen, dann gibt es größere Betriebe, die auf Hilfe von außen angewiesen sind und die auch zwanzig, dreißig oder mehr Erntehelfer benötigen – und zwar rund um die Uhr“.
Gute Nachfrage nach Erdbeeren
Von einem positiven Start in die Erdbeersaison spricht auch Christian Pohl. Er ist neuer Geschäftsfeldleiter Beeren im Verband der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse (VI.P) und damit zuständig für die Vermarktung des Beerenobstes: „Die Marktsituation ist zu Saisonbeginn sehr positiv, die Nachfrage ist gut, aufgrund der kalten Witterungsverhältnisse Anfang Juni war wenig Ware auf dem Markt und dementsprechend war die Nachfrage sehr positiv“. Pohl rechnet mit keinen Corona-bedingten Vermarktungsschwierigkeiten.
Im Vergleich zu den vergangenen Jahren liegen die bisher erzielten Verkaufspreise zwar etwas höher. Allerdings sind erst knapp 10 Prozent der Erdbeeren verkauft und die eigentliche Saison steht erst noch bevor. Im Moment ist die Nachfrage höher als das Angebot, aber das könnte sich auch rasch ändern. „Da muss man schon etwas vorsichtig sein und gut beobachten, wie sich die Situation in den nächsten Wochen entwickelt, aber im Moment sind die Preise auf alle Fälle sehr zufriedenstellend“, sagt Pohl.
Vermarktungslücken nutzen
Der Erdbeermarkt unterliegt generell starken Preisschwankungen, auch weil sich das Angebot aufgrund der Witterungsverhältnisse ständig ändert. Das Marteller Erdbeergebiet ist eines der höchstgelegenen Anbaugebiete in Europa. Das macht es möglich, entsprechende Vermarktungslücken im Verkauf zu nutzen. Denn Martell kann Erdbeeren zu einem Zeitpunkt auf den Markt bringen, wo das Angebot der Mitbewerber am Markt meist niedrig ist. „Mitte Juni bis Mitte August ist ideal, denn in Süditalien ist da die Ernte bereits beendet und dann sind das Trentino und Südtirol eigentlich die Hauptanbaugebiete in Italien. Deshalb sind diese zwei Monate im Sommer absolut ideal für Erdbeeren“, sagt Pohl.
Markt für deutlich mehr Erdbeeren
Die Nachfrage nach den Marteller Erdbeeren lag in den vergangenen Jahren deutlich über dem Angebot. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Anbaufläche um drei Hektar verringert. Für heuer rechnet man je nach Witterung so um die 350 Tonnen Erdbeeren. „Recht viel weniger sollten es nicht sein“. Im Gegenteil: Was sich Geschäftsfeldleiter Christian Pohl für die Zukunft wünscht, ist eine deutlich höhere Erdbeermenge als bisher. Aktuell werden auf 22 Hektar Erdbeeren angebaut. „Das ist leider sehr wenig, obwohl der Markt für viel mehr Erdbeeren vorhanden wäre. In Martell wurden schon mal an die 800 Tonnen Erdbeeren geerntet, mittlerweile reden wir von 300 bis 350 Tonnen“, sagt Pohl, der durchaus einräumt, dass Erdbeeren für die Produzenten ein sehr herausforderndes Produkt sind.
Pohl ist überzeugt, dass die Erzeugergenossenschaft und der Verband VI.P durchaus imstande wären, die doppelte Menge abzusetzen. Es gibt zwar immer wieder Gespräche mit den Produzenten, weitere Flächen mit Erdbeeren zu bepflanzen, aber die letzte Entscheidung liegt beim einzelnen Produzenten. Und diese Entscheidung hängt nicht nur vom Auszahlungspreis ab, denn der war in den letzten Jahren durchaus sehr positiv. Ein größeres Problem ist es aber, genügend Erntehelfer zu finden sowie die intensive Arbeit und der gesamte Arbeitsaufwand an sich. Das sind laut Pohl einige der Hauptgründe, wenn sich Erdbeerproduzenten nach Alternativen zum Erdbeeranbau umsehen.
Das ist allerdings sehr schade, denn das Martelltal bietet klimatisch und aus Vermarktungssicht die besten Voraussetzungen für den Erdbeeranbau und auch mit dem Absatz gibt es keine Probleme. Gut zwei Drittel der Erdbeeren gehen an die italienischen Handelsketten und etwa ein Drittel gelangen auf die italienischen Großmärkte. Eine kleinere Menge wird lokal vor allem im Vinschgau verkauft. Wichtig ist es, den Kunden neben der gewohnten Qualität auch künftig eine kontinuierliche Liefersicherheit zu gewährleisten. Und dazu brauchen die Marteller Erdbeerbauern jetzt vor allem eines: eine gute Witterung und viele fleißige Hände.
Quelle: Raiffeisenverband Südtirol
Veröffentlichungsdatum: 06. Juli 2020