Warum kostet eine Biokartoffel um einiges mehr als eine konventionell produzierte Kartoffel? Für Biobäuerinnen und Biobauern ist die Kartoffelproduktion riskanter als für ihre Kolleginnen und Kollegen, die chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel gegen Pilzkrankheiten einsetzen können.
Um interessierte Landwirtinnen und Landwirte sowie den Handel über die neuen Sorten auf dem Laufenden zu halten, organisierte das FiBL Anfang Juli auf dem Gerbehof in Bibern SO einen Flurgang. Foto © FiBL, Thomas Alföldi
Schuld daran ist vor allem die Kraut- und Knollenfäule, eine gefürchtete Pilzkrankheit, die schon in Irland in den 1840er Jahren zur "Grossen Hungernot" führte. Die klassischen Kartoffelsorten wie Erika und Charlotte sind sehr anfällig für diese Krankheit und können bei anhaltend feucht-warmem Wetter bis zum Totalausfall geschädigt werden.
Prüfung vielversprechender Neuzüchtungen
Um dieses Problem anzugehen, leitet das FiBL mit Unterstützung von Bio Suisse und des Coop Fonds für Nachhaltigkeit ein breit abgestütztes Projekt, um geeignete Kartoffelsorten für den Biolandbau in der Schweiz zu finden. Der vielversprechendste Ansatz liegt im Einsatz von krankheitsresistenten Sorten. Die Kartoffelzüchterinnen und -züchter, vor allem im Norden Europas zuhause, arbeiten schon einige Zeit an Sorten, die gegen die Kraut- und Knollenfäule widerstandsfähig oder weitgehend resistent sind.
Auf dem Gerbehof wird jede Kartoffel-Versuchssorte in zwei Streifen von drei Meter Breite über die ganze Feldlänge angebaut. Eine Besonderheit sind die mit Blühstreifen begrünten Fahrgassen. Foto © FiBL, Thomas Alföldi
An die Kartoffel jedoch werden viele Ansprüche gestellt: Schmackhaft soll sie sein, einfach im Anbau und für eine ganzjährige Versorgung lange lagerfähig. So kommt ein reichhaltiger Wunschkatalog zusammen - alle Anforderungen zu erfüllen, ist äusserst anspruchsvoll. Im Kartoffelsortenprojekt werden die vielversprechendsten europäischen Neuzüchtungen in die Schweiz geholt und "auf Herz und Nieren" geprüft. Kann sich eine Sorte in Kleinparzellenversuchen von Agroscope gut behaupten, wird sie in Praxisversuchen auf sechs Biobetrieben im Verlauf von zwei Jahren grossflächig angebaut. Der Anbau wird vom FiBL umfassend begleitet, und Parameter wie die Krankheitsanfälligkeit oder der Ertrag werden dabei erfasst. Agroscope übernimmt die Knollenbonituren, die Lagerung und die Degustation. Sehr wichtig für eine neue Sorte sind auch der Geschmack und die Eignung für die Zubereitung verschiedener Gerichte wie Kartoffelsalat oder Rösti. Denn eine Biokartoffel soll mindestens genauso viel Freude beim Essen bereiten wie Kartoffeln aus anderen Anbausystemen.
Neue Sorten im letzten Versuchsanbaujahr
Ein Beispiel ist die resistente Sorte Vitabella, die den Einzug ins Ladenregal geschafft hat. Nun sind vier weitere Sorten - Annalena, Darling, La Vie und Montana - im letzten Versuchsanbaujahr. Sie müssen in den laufenden Prüfungen nachweisen, dass sie gegenüber einer Kartoffel der Sorte Erika genügend Vorzüge aufweisen, um in den Schweizerischen Sortenkatalog aufgenommen zu werden.
Auf dem Gerbehof von Christoph Hauert und Eva Ulm im solothurnischen Bibern beispielsweise wird jede Versuchssorte in zwei Streifen von drei Meter Breite über die gesamte Feldlänge angebaut. Anfang Juli ist dort die Krautentwicklung, die Anfälligkeit auf Krankheiten und der bereits gebildete Ertrag sichtbar. Ende Juli wird das Kraut abgeschlagen, dann ist die Ertragsbildung abgeschlossen. Die Knollen werden in der Erde noch schalenfest, bis sie im August geerntet werden.
Erste Ergebnisse zeigen, dass die Sorten Darling und Montana gute Erträge erzielen und sich als allgemein robust erweisen. Die beiden Sorten sind wenig anfällig für die Krautfäule. La Vie konnte sich dafür letztes Jahr besonders durch die schönen Knollen und den ausgezeichneten Geschmack hervortun. Es bleibt spannend, welche Sorte(n) das Rennen machen und das Anbaurisiko für Biolandwirte und Biolandwirtinnen senken können.
Quelle: FiBL
Veröffentlichungsdatum: 14. Juli 2020