Mit Apps, Leitfäden oder richtiger Kenntnis EU-weiter Regeln – bewährte und neue Instrumente bringen „unsichtbare“ Lebensmittel zurück in den Wirtschaftskreislauf. Bei der Internationalen Arbeitstagung Qualitätskontrolle Obst und Gemüse brachten 500 Teilnehmende aus 30 Ländern ihre Erfahrungen zusammen. Außerdem Thema: Die Ein- und Ausfuhr von Obst und Gemüse nach dem Brexit.
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Zu ihrer 33. Internationalen Arbeitstagung Qualitätskontrolle Obst und Gemüse, die in diesem Jahr erstmals digital stattfand, konnte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) so viele Gäste wie noch nie begrüßen; darunter erstmals 30 Teilnehmende aus Brasilien sowie aus Tadschikistan und Usbekistan. Sie alle interessierte im Internationalen Jahr für Obst und Gemüse vor allem die Frage, wie Lebensmittelverluste weiter reduziert werden können.
„Die hier vorgestellten Ansätze sind Teil einer Reihe wirksamer Aktionen, die eine nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung stärken; eine Ernährung, die auch das Überleben des Planeten, die Planetary Health, im Blick hat“, erklärte BLE-Präsident Dr. Hanns-Christoph Eiden zu Beginn der Tagung. Das Internationale Jahr sei eine einzigartige Gelegenheit, das Bewusstsein für die wichtige Rolle von Obst und Gemüse in der menschlichen Ernährung, der Ernährungssicherheit und für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele zu schärfen.
Upcycling von Lebensmitteln per App: Pilotprojekte laufen
Einen Ansatz bietet die digitale Plattform FeedUp@UN. Mit diesem digitalen Marktplatz haben die Wirtschaftskommission der EU (UNECE) und das Institut für Informations- und Kommunikationstechnologie der Vereinten Nationen (OICT) eine Möglichkeit geschaffen, auf dem Frischmarkt unverkäufliches Obst und Gemüse für andere Verarbeitungszwecke anzubieten. Ware, die beispielsweise wegen nicht gewünschter Größen, Sorten oder Qualitäten nicht frisch verkauft werden kann, ist für potenzielle Kunden wie Upcycling-Betriebe interessant. Sie können sich über eine App unter anderem mit Obst oder Gemüse zum Trocknen versorgen. FeedUp@UN bringt so „unsichtbare“ Lebensmittel zurück in den Lebensmittelkreislauf und ermöglicht neue regionale Kontakte. Zudem können erstmals Lebensmittelverluste erfasst und Erfolge bei der Vermeidung registriert werden. Die App kann auch berechnen, welcher Beitrag zum Umweltschutz durch die tatsächliche Nutzung der Lebensmittel geleistet wird. Eine Art Zertifizierung der Teilnehmenden, denen Einsparungen gelungen sind, ist ebenfalls in Vorbereitung. FeedUp@UN durchläuft aktuell Pilotphasen in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden.
Aus „gut gemeint“ soll „gut gemacht“ werden – Appell an den Handel
Eine weitere praktische Hilfe bietet der Code of Good Practice für den Handel. Dieser EU-weite Leitfaden stellt für jede Stufe – von der Ernte bis in den Einzelhandel – verschiedene Stellschrauben zusammen, an denen zur Verlustvermeidung gedreht werden kann. „Jedes Unternehmen sollte sich diesen Leitfaden zur Hand nehmen und die eigenen Betriebsabläufe daraufhin abklopfen, wo noch nachjustiert werden kann“, so Kristina Mattsson von der UNECE.
Auch BLE-Referatsleiterin Dr. Ulrike Bickelmann sprach den Handel an. Die Möglichkeiten der EU- und UNECE-Vermarktungsnormen als weiteres Instrument zur Vermeidung von Lebensmittelverlusten würde der Handel hinsichtlich der Qualitäten – zumindest in Deutschland – nicht in vollem Umfang nutzen. „Dadurch entsteht der falsche Eindruck, dass die staatlichen Vorschriften unsinnige kosmetische Details regeln“, so Bickelmann. Sie appellierte an den Handel, die Bandbreiten nutzen zu lernen und sich dabei von den staatlichen Kontrollstellen beraten zu lassen. Außerdem warb sie um die Unterstützung des Handels bei der Anpassung der aktuellen Normvorschriften an den Klimawandel.
Ein- und Ausfuhr nach dem Brexit „einigermaßen eingespielt“
Zum Brexit erhielten die Teilnehmenden Informationen von beiden Seiten des Ärmelkanals. Ian Hewett berichtete für das Vereinigte Königreich von der Übernahme der EU-Vermarktungsnormen in britisches Recht. Aktuell würden keine Kontrollen nach Vermarktungsnormen bei der Einfuhr in das Vereinigte Königreich durchgeführt. Bei der Ausfuhr von Obst und Gemüse, das in der EU speziellen Vermarktungsnormen unterliegt, hingegen schon. Ab 1. Januar 2022 sollen Erzeugnisse, die den speziellen Vermarktungsnormen unterliegen und aus der EU kommen, bei der Einfuhr stichprobenweise kontrolliert werden. Von der anderen Seite des Ärmelkanals berichtete Jean Crombach aus den Niederlanden. Der Kontrolldienst KCB hatte Handelsunternehmen frühzeitig auf die Umstellung vorbereitet. Inzwischen habe sich alles einigermaßen eingespielt, viele Handelsunternehmen hätten sich den Status eines anerkannten Händlers erworben.
Ein Internationales Jahr für Obst und Gemüse – warum?
Rosa Rolle, Urheberin des Grundlagenpapiers zum Internationalen Jahr für Obst und Gemüse von der FAO, unterstrich die Bedeutung von Obst und Gemüse in der Ernährung. Gleichwohl lag 2017 die durchschnittliche Verfügbarkeit von Obst und Gemüse weltweit mit 390 Gramm pro Person und Tag leicht unter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation von 400 Gramm. Dies stünde im Zusammenhang mit Erschwinglichkeit, Bildung und Kultur, mangelndem Wissen über den Nutzen des Obst- und Gemüseverzehrs sowie der Konkurrenz durch verarbeitete Lebensmittel. Hier seien Maßnahmen gefordert, so Rolle. Ihre Schlüsselbotschaft lautete: „Respektiere Lebensmittel vom Hof bis zum Tisch“. Das soll im Internationalen Jahr für Obst und Gemüse deutlich werden.
Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Veröffentlichungsdatum: 24. März 2021