Die erzielte Einigung zur gemeinsamen EU-Agrarpolitik stand Ende Juni im Mittelpunkt einer Online-Sitzung des Koordinierungsausschusses der landwirtschaftlichen Genossenschaften Südtirols. Auf Einladung des Raiffeisenverbandes Südtirols berichtete EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann über die im Rahmen der sogenannten Trilog-Verhandlungen zur Umsetzung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) erzielte politische Einigung zwischen Parlament, EU-Agrarministerrat und EU-Kommission.
Bildquelle: Shutterstock.com
Dorfmann, der als Agrarverantwortlicher der Europäischen Volkspartei eng in die drei Jahre dauernden Verhandlungen zur GAP involviert war, sprach von einem vernünftigen Ausgleich, der zwischen ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen erzielt werden konnte. Es sei eine gute Balance aus Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Ernährungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Gerechtigkeit gefunden worden. Bis 2027 sollen auf europäischer Ebene für die Landwirtschaft knapp 387 Mrd. Euro und damit rund 33 Prozent des gesamten EU-Budgets eingesetzt werden.
Grüne, umweltorientierte Agrarpolitik
Dorfmann erläuterte die Rahmenbedingungen der neuen GAP und erinnerte an die großen Neuerungen der Agrarpolitik. Wurde bisher von Brüssel alles bis ins Detail durchdefiniert, so liege die Ausgestaltung der GAP nun in den Händen der Mitgliedsstaaten. Sie müssen eigene Strategiepläne und ihren Handlungsbedarf definieren, um entsprechende Fördermittel zu erhalten. Daneben verwies Dorfmann auf die stark umweltorientierte grüne Architektur der Agrarreform. So müssen beispielsweise 25 Prozent der Gelder der 1. Säule der Agrarpolitik für Öko-Regelungen bzw. für Umweltschutzmaßnahmen (sogenannte Eco-Schemes) bereitstehen. Hier gilt es laut Dorfmann in Zukunft verstärkt anzusetzen, um vermehrt Förderungen aus der 1. Säule, also die Direktzahlungen an die Landwirte, zu erhalten. Dabei habe Südtirol gute Chancen, weil es im nachhaltigen Wirtschaften bereits gut aufgestellt sei, sagte Dorfmann. Er betonte, dass die Agrarreform für Südtirol Chancen und Möglichkeiten eröffne, die es geschickt zu nutzen gelte.
Gerechte Verteilung von Agrargeldern
Die neue Agrarreform sieht auch eine gerechtere Verteilung von Agrargeldern vor, für welche sich Dorfmann von Anfang an eingesetzt hat. So müssen die Mitgliedsstaaten 10 Prozent der Direktzahlungen von größeren auf kleine und mittlere Betriebe umverteilen. Die Umverteilung werde zu Gunsten der überwiegend kleinstrukturierten Südtiroler Bauernbetriebe ausfallen, meinte Dorfmann. Daneben gelte es jetzt nach der Verabschiedung der GAP benachteiligte Gebiete stärker zu unterstützen und das Geld vor allem jenen Bauern zur Verfügung zu stellen, die von der Landwirtschaft leben und aktiv Landwirtschaft betreiben.
In seinem Vortrag erläuterte Dorfmann Detailregelungen der neuen GAP, verwies auf die steigende Bedeutung der Versicherungssysteme und der Mutualitätsfonds beispielsweise gegen Extremereignisse in der Landwirtschaft wie beispielsweise Frost und Trockenheit.
Mit Blick auf die operationellen Programme wie jenes für den Sektor Obst und Gemüse, können die Mitgliedsstaaten künftig auch für andere Landwirtschaftsparten derlei operationelle Programme einrichten, erklärte Dorfmann.
In seinem Vortrag ging Dorfmann auch auf die sogenannte Konditionalität ein, den Basis-Anforderungen an alle Empfänger von flächenbezogenen Zahlungen, für welche die Mitgliedstaaten Festlegungen treffen müssen. Schließlich informierte Dorfmann über die Neuerungen für 2. Säule der Agrarpolitik, welche die Förderprogramme und Entwicklungspläne für den ländlichen Raum umfasst und bei der es in der Anwendung vor allem um objektive Anwendungskriterien gehe.
Nach der erfolgten politischen Einigung zur die EU-Agrarreform muss das Europaparlament nun im Plenum über die neuen Verordnungstexte befinden. Mit 1. Jänner 2023 sollen die Regeln der neuen EU-Agrarreform dann gelten.
Italien in Verzug
Martin Pazeller, Direktor der Landesabteilung Landwirtschaft, informierte bei der Online-Tagung unter anderem über die Umsetzung der Agrarreform auf nationaler Ebene. Italien sei hier in Verzug, jedoch würden nun beispielsweise die Verhandlungen mit den Sozialpartnern bzw. den Bauernverbänden beginnen.
In einer Diskussionsrunde wurde die EU-Agrarpolitik vertieft und Fragen der Mitglieder des Koordinierungsausschusses und der Mandatare beantwortet. Bauernbund-Obmann Leo Tiefenthaler hob dabei die Bedeutung der Förderungen aus Brüssel hervor, auf welche die Südtiroler Landwirtschaft stark angewiesen sei.
Verbandsobmann Herbert Von Leon und Generaldirektor Paul Gasser dankten den Referenten Herbert Dorfmann und Martin Pazeller für die interessanten Informationen aus erster Hand. An der Online-Sitzung hatten neben den Mitgliedern des Koordinierungsausschusses der landwirtschaftlichen Genossenschaften auch zahlreiche Mandatare der landwirtschaftlichen Genossenschaften teilgenommen.
Quelle: Raiffeisenverband Südtirol
Veröffentlichungsdatum: 14. Juli 2021