Krisen sind ein unangenehmes Thema, vor allem dann, wenn sie das eigene Unternehmen betreffen. Es gilt, solche Situationen schon frühzeitig zu erkennen, um schwerwiegende Folgen für den Betrieb abfangen zu können. Wie das geht, erklärte Dr. Matthias Glötzner von der Unternehmensberatung Engel & Zimmermann auf der Jahrestagung des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer (BDC) e. V. im Oktober 2021.
Wertvolle Tipps für die Krisenkommunikation gab Dr. Matthias Glötzner den Teilnehmenden der BDC-Jahrestagung Anfang Oktober. Foto © BDC
„Es ist nicht immer einfach, Krisen zu definieren. Grundsätzlich hat jede Krise immer drei Dimensionen. Dazu gehören der Eintritt eines realen Ereignisses, das Handeln der verantwortlichen Personen sowie letztlich das Image des Unternehmens“, erklärt der Berater. Um von einer Krise nicht überrascht zu werden, ist es wichtig, eine Sensibilität im eigenen Unternehmen aufzubauen. „Vor allem im Zeitalter von Sozialen Medien ist das unerlässlich, denn es kann mitunter sehr schnell gehen, dass man in solch eine Situation gerät. Dabei muss nicht immer das Unternehmen selbst schuld sein, es können auch Falschmeldungen eine Kaskade ins Laufen bringen.“
Erkennen und handeln
Wie kann denn nun so eine Krise im Lebensmittelbereich eigentlich aussehen? Neben Verstößen gegen Hygienevorschriften (Mäuse, Schimmel, etc.), bestimmte betroffene Produktgruppen (Babys, Bio, etc.), können auch die Menge der Produkte (bundesweit oder sogar grenzüberschreitend) und die Anzahl der betroffenen Personen Auslöser sein. Ein gefundenes Fressen für Facebook, Instagram und Co. sind beispielsweise die berühmten Mäuse in der Auslage oder das Haar in der Suppe. „Ein Monitoring dieser Kanäle ist ganz entscheidend. Sie müssen als Unternehmen wissen, was über Sie geschrieben wird. Wenn Sie ein dauerhaftes Monitoring aus betrieblichen Gründen nicht stemmen können, sollte es spätestens in Angriff genommen werden, sobald eine Situation vorliegt und dann am besten 24/7“, mahnt Glötzner. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, gilt es, so schnell wie möglich zu handeln, denn die Leute wollen informiert und involviert sein. Das erweckt zudem den Eindruck einer schnellstmöglichen Aufklärung. Transparenz und proaktives Handeln sind daher grundsätzlich positiv zu bewerten. „Es gibt aber auch Situationen, in denen es besser ist, abzuwarten.“ Wer handelt, sollte auch darauf achten, wie er das tut. Selbstkritik kommt gut an, arrogantes oder sogar aggressives Verhalten eher weniger. Für Unternehmen könne es daher wichtig sein, den Umgang mit den Medien schon vorab zu trainieren, so Glötzner. Denn auch hier mache der Ton die Musik. „Ist man eher kooperativ oder verschlossen? Das kann über vieles in der Kommunikation nach außen entscheiden. So sollten Unternehmen immer ihre Fühler in Richtung Journalisten und Regionalpolitiker ausstrecken.“ Gerade in kritischen Branchen wie der Lebensmittelbranche kann das hilfreich sein. Zu beachten ist dabei aber immer, dass „Wiederholungstäter“ es meist schwerer haben, auch wenn die Vorfälle nichts miteinander zu tun haben. Die moralische Fallhöhe ist auch bei Betrieben, die viel Werbung machen oder sich gerne profilieren, deutlich höher.
Sich der Öffentlichkeit richtig öffnen
Nicht selten kommt es vor, dass die Krise Folge eines Framings ist. „Sie können einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sein. Oder jemand hat es gezielt auf Sie abgesehen“, erklärt der Berater. Zu den drei bereits genannten Dimensionen kommt daher in Krisen immer eine weitere hinzu: der öffentliche Rahmen. Es ist also wichtig zu wissen, was gerade politisch oder gesellschaftlich aktuell ist und welche Themen Journalisten oder NGOs zum Beispiel gerade beschäftigen. Auch eine perfekte Krisenkommunikation kann unter Umständen in den Medien ins Negative gezogen werden. „Wir haben uns längst vom objektiven zum aktivistischen Journalismus entwickelt. Viele Informationen werden heute nicht mehr pauschal, sondern ganz gezielt gestreut.“ Es gilt dennoch in der Krisenprävention und -bewältigung zwischen kooperativen und konfrontativen Akteuren zu unterscheiden. Nicht jeder will Böses und sie können wichtiger Teil des Prozesses sein. „In der aktuellen Zeit ist die Kommunikation in heiklen Situationen extrem komplex geworden. Als Unternehmen oder Betrieb sollten Sie deshalb ganz dringend auch eine Haltung zu gesellschaftlichen und politischen Themen haben und diese beibehalten. Wer ständig seine Haltung ändert, wirkt unglaubwürdig“, betont Dr. Matthias Glötzner.
Strategisch vorgehen
In jedem Fall ist es ratsam, eine Strategie zu entwerfen. Diese hängt aber ganz entscheidend von der jeweiligen Schwere der Vorfälle und der beteiligten Unternehmen ab. „Unsere Faustregel ist: Je mehr involviert sind, desto weniger Kommunikation nach außen sollte stattfinden. Sie wollen als eines von mehreren Unternehmen am Ende nicht zum Haupttäter oder Sprecher avancieren. Das Ziel muss es immer sein, dämpfend auf die Berichterstattung einzuwirken.“ So kann es vorab schon sinnvoll sein, festzulegen, wer die Zielgruppe und die Kanäle sind. „Besonders bei Lebensmittelrückrufen sollten Sie unbedingt an Instagram denken!“, macht Matthias Glötzner klar. Nicht vergessen sollten Unternehmen auch, die eigenen Mitarbeiterinnen zu informieren und zu involvieren. „Eine offizielle Meldung sollte immer von Unternehmensseite kommen und nicht über Mitarbeiterinnen, die von der Presse angesprochen wurden. Das kommt nämlich durchaus vor“, so der Berater. Die Lösung kann die Entwicklung einer Informationskaskade sein, welche vorgibt, wer wann informiert wird. An erster Stelle stehen immer die Gesellschafter und Beiräte, darauf folgt sofort die eigene Belegschaft, dann kommen Kunden, die Medien, die eigene Website und in letzter Instanz die sozialen Medien. „Bevor eine offizielle Meldung rausgeht, sollten vorher noch mal die eigene Website sowie eigene Publikationen gecheckt werden. Nicht, dass sich auf diesen Kanälen gegensätzliche Aussagen zu denen in der Krisenmeldung finden.“
Das öffentliche Echo antizipieren und vorbereitet sein kann nur, wer sich vorab schon ausgiebig mit Krisensituationen auseinandergesetzt hat. Neben dem Monitoring sind deshalb fiktive durchgespielte Szenarien, Workshops sowie Medientrainings das A und O, um krisenfest zu werden. Heikle Situationen lassen sich dadurch zwar nicht vermeiden, aber zumindest die Konsequenzen für das Unternehmen steuern.
Quellen und weitere Informationen.
Quelle: BDC
Veröffentlichungsdatum: 04. Januar 2022