Der Krieg in der Ukraine darf kein Argument dafür sein, Bestrebungen in Sachen Klima, Artenvielfalt und Gesundheit infrage zu stellen – wie es die europäische Agrarlobby jetzt will. Finger weg vom grünen Deal, fordert Eosta-CEO Volkert Engelsman. Will man kurzfristig mehr Getreide in der EU anbauen, so stünden Millionen Hektar Ackerland zur Verfügung, die aktuell noch für Tierfutter und Biokraftstoff genutzt werden.
Eosta-CEO Volkert Engelsman. Foto © EOSTA
Der Krieg in der Ukraine lässt Getreide, Sonnenblumenöl, Viehfutter und Düngemittel auf dem Weltmarkt knapp werden. Der Dachverband der europäischen Landwirtschaft, COPA-COGECA, versucht nun, diese Verknappung zu missbrauchen – und den längst überfälligen nachhaltigen Umbau der Agrarbranche um Jahrzehnte zurückzuwerfen. Sie befürchten nämlich, dass die EU Ende März für eine Halbierung des Pestizideinsatzes (bis 2030) stimmen wird. Dabei macht die aktuelle Krise einmal mehr deutlich, wie dringend wir unsere Landwirtschaft nachhaltiger gestalten müssen.
Die Krise in der Ukraine erinnert uns daran, dass Nahrungsmittelknappheit nicht das Ergebnis unzureichender Produktionsmethoden ist, sondern die Folge einer falschen Politik. Viele Länder haben zudem Hamsterkäufe getätigt, was den Mangel noch verschärft. Deutschland hat sich bei Futter- und Düngemitteln von der Ukraine bzw. von Belarus und Russland abhängig gemacht; zwei Dinge, von denen uns die nachhaltige und ökologische Landwirtschaft abbringt. Chemische Düngemittel werden aus Erdgas hergestellt und machen uns doppelt abhängig von fossilen Brennstoffen, von denen wir ja gerade jetzt wegwollen.
Nordafrika und der Nahe Osten sind am stärksten vom Wegfall der günstigen, stark subventionierten Getreideeinfuhren aus der Ukraine betroffen. Die Abhängigkeit Afrikas wurde durch eine jahrzehntelange neoliberale Politik verursacht, die arme Länder davon abhielt, eine eigene nachhaltige Landwirtschaft aufzubauen – und ihnen stattdessen dabei half, billige Massengüter zu importieren.
Was die Welt braucht, ist eine krisenfeste Landwirtschaft – und nicht die agrochemischen, hyperspezialisierten Monokulturen, die auf internationale Krisen überempfindlich reagieren und von denen nur der Futures-Handel profitiert. Andere Krisen wie die Klimakrise und das Artensterben warten nicht auf den Ukrainekrieg, ebenso wenig die Parkinson-Epidemie unter Landwirten, eine Folge des Pestizideinsatzes. Bio-Landwirtschaft geht diese Probleme an und sorgt darüber hinaus für kürzere Kreisläufe, eine höhere Widerstandsfähigkeit gegen Störungen und mehr Ernährungssouveränität.
Wenn es klug ist, mehr Getreide in Europa oder anderen Teilen der Welt zu produzieren, dann bitte: tun wir das, aber nachhaltig und biologisch! Und nicht weiterhin auf Kosten unseres Planeten. Platz wäre da, nur blockieren Raps, Mais und andere Pflanzen europaweit Millionen Hektar Ackerland, um im Tank unserer Autos zu landen – oder als Futter in der Tiermast. Ein Ansatzpunkt wäre es, die Subventionen für Biokraftstoffe zu beenden, wie die NGO Birdlife bemerkt. Würde man ein Teil dieser Flächen für die Lebensmittelproduktion freigeben, könnte man damit eine enorme Menge an Nahrungsmitteln für die Menschen bereitstellen.
Quelle: Volkert Engelsman, CEO Eosta
Veröffentlichungsdatum: 21. März 2022