Gemeinsam mit Futurologe Max Thinius blickt das Messeduo aus BIOFACH, Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel, und VIVANESS, internationale Fachmesse für Naturkosmetik, in die Zukunft der Ernährungs- und Gesundheitsbranche. Anlässlich der aktuellen Entwicklungen hinsichtlich Einkaufsverhalten und Markenloyalität, werden die Chancen beleuchtet, die mit der fortwährenden Digitalisierung einhergehen. Wie positionieren sich Bio-Marken und –Verbände zukunftsfähig?
Futurologe Max Thinius: Zukünftig werden Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Hoheit über die eigenen Daten haben und den eigenen Algorithmus steuern können. Foto © Max Thinius
Die aktuelle Lage und erste Fragezeichen
Einer konstanten, grundsätzlich positiven Einstellung gegenüber Bio-Lebensmitteln steht derzeit ein erstmaliger stark vermerkbarer Rückgang beim Kauf von Bio-Markenwaren gegenüber. Die Akzeptanz für höhere Kosten nachhaltiger Produkte hat sich innerhalb eines Jahres halbiert (2021: Akzeptanz bei 67 Prozent der Befragten, 2022 bei 30 Prozent)[1]. Angesichts der steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten verwundert es nicht, dass Menschen beim Einkauf sparen möchten. Doch es steht die Frage im Raum: Wie hoch ist die Loyalität gegenüber Bio-Marken und wie entwickelt sich zukünftig das Einkaufsverhalten?
Basis für Markenbindung sind im Wesentlichen zwei Faktoren:
Auf der einen Seite entsteht Markenbindung durch Gewohnheit und ein Maß an Sicherheitsbedürfnis. Denn ein positives Markenerlebnis schafft Vertrauen. Beim erneuten Kauf wird ein geringeres Risiko eingegangen als beim Griff zu einem unbekannten Produkt. Das lässt Menschen immer wieder zu Bio greifen, weiß Kathrin Jäckel, Geschäftsführung Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e.V.: „Unsere Marke gründet vielleicht eher weniger auf einem Label, einer Farbe oder einem schmissigen Claim – sondern auf einem Grundverständnis von Qualitäten. Das ist das, was Menschen auch meiner persönlichen Erfahrung nach an Bio bindet.“
Auf der anderen Seite spielt die emotionale Positionierung der Marke eine große Rolle. Wer sich mit einem klaren Meinungsbild einer Marke identifizieren kann, akzeptiert weniger Alternativen innerhalb einer Kategorie.
Emotionen und digitale Kommunikation
Hier kommen die unterschiedlichen Kommunikationsstrategien von Marken zum Tragen. Im Zeitalter der Digitalität kann eine emotionale Beziehung zwischen Marke und Konsument über diverse Kanäle aufgebaut und intensiviert werden. „Es ist maximal komplexer geworden, vielfältiger“, betont Kathrin Jäckel. Futurologe Max Thinius prognostiziert: „Zukünftig werden Verbraucher jedoch wieder mehr Einfluss darauf haben, was ihnen beispielweise im Newsfeed vorgeschlagen wird. Jede Person wird mehr Hoheit über die eigenen Daten haben und den eigenen Algorithmus steuern können.“ Gerade um die junge Zielgruppe zu erreichen, sollten demnach die digitalen Möglichkeiten der Markenbindung eruiert und genutzt werden. „Digitalität bedeutet nicht, dass zukünftig der Kühlschrank feststellt, was eingekauft werden sollte. Die Entscheidungshoheit wird bei uns selbst bleiben. Doch die Entscheidungsfindung kann mittels Daten unterstützt werden“, erläutert Max Thinius.
Auch die Anbieterseite kann die Chancen der Digitalisierung wahrnehmen und mehr Daten erheben und analysieren. So könnten differenzierte Aussagen über die derzeitigen Rückgänge im Bio-Bereich getroffen werden. Das forderte auch Jörg Reuter, Head of Food Campus Berlin / Geschäftsführung Artprojekt Nature & Nutrition GmbH zuletzt: „Die Branche hat nie analysiert, warum der Markt sich so verhält und proaktiv Schlüsse daraus gezogen. Umso bitterer ist das aktuelle Erwachen im dritten Jahr multipler Krisen.“
Mit der Digitalisierung entstehen zwei große Potentiale für die Bio-Branche: ein höheres, datenbasiertes Verständnis für Verbraucher erlangen sowie daraus fundierte Entwicklungen ableiten zu können und gegenüber zukünftiger Herausforderungen präventiv aufgestellt zu sein.
Quelle: modem conclusa gmbh/ NürnbergMesse
Veröffentlichungsdatum: 29. November 2022