Der deutsche Obst – und Gemüseanbau steht vor bedeutenden Veränderungen. Die letzten Anbaujahre waren nicht einfach für deutsche Obst- und Gemüseproduzenten. Im Apfelanbau kam es beispielweise zu Ernteausfällen durch Hitze und Trockenheit. Hinzukommt, dass sich Anbauer mit steigenden Kosten konfrontiert sehen, die aus einer Verschärfung der arbeitsrechtlichen Vorgaben resultieren, so stieg der Mindestlohn im Oktober des letzten Jahres bereits auf 12 €/h und für das nächste Jahr werden 12,41 €/h fällig.
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Mehr Teilnehmer benötigt
(Uwe Latacz-Lohmann (Universität Kiel) und Insa Thiermann (Universität Wageningen)) möchten verstehen, wie sich mögliche gesetzliche Veränderungen auf Betriebe auswirken und inwiefern es gelingen könnte, den Kostenanstieg über den Lebensmitteleinzelhandel an die Konsumenten weiterzugeben. Sie führen daher Umfragen zum Thema durch und benötigen noch weitere Teilnehmer (Sehe unten).
Arbeitsbedingungen im Obstbau
Weitere Steigerungen der Arbeitserledigungskosten sind zudem absehbar, da die Arbeitsbedingungen osteuropäischer Saisonarbeitskräfte in der Agrarwirtschaft durch die COVID 19 Ausbrüche in den Fokus der Öffentlichkeit, aber auch der Politik geraten sind (Augère-Granier, 2021).
Eine aktuelle Studie von Oxfam fordert unter anderem höhere Löhne, bessere Unterbringungsbedingen, vor allem aber eine umfassende Sozialversicherungspflicht. In der Studie wird auch Ursachenforschung betrieben und die Autoren nehmen nicht nur die Anbauer, sondern auch die deutschen Supermärkte in die Pflicht. Denn die deutschen Obst- und Gemüseproduzenten kritisieren, dass sie aufgrund der Marktmacht der Handelsketten kaum eine Chance haben, höhere Preise, die aufgrund einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen notwendig wären, durchzusetzen (Vogel und Zahn, 2023).
Der Preisdruck auf die Erzeuger könnte aus der Bestrebung der Supermärkte resultieren, Obst und Gemüse möglichst günstig anzubieten, um sich Marktanteile zu sichern. Ein anderer Grund könnte sein, dass die Händler davon ausgehen, dass Konsumenten nicht bereit sind, für teureres Obst und Gemüse zu zahlen. Die Zahlungsbereitschaft der Kunden ist sowohl für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die durch private Initiativen angestoßen werden könnten, als auch für gesetzliche Verschärfungen entscheidend. Wenn deutsche Verbraucher nicht bereit sind, für Produkte zu ‚faireren‘ Bedingungen zu zahlen, kommt es möglicherweise bei gesetzlicher Durchsetzung nur zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland. Dort kann bekanntlich kein Einfluss auf die Arbeitsbedingungen genommen werden.
Das Fairtrade-Logo kennen Verbraucher aus dem Supermarkt, dort ist es häufig auf Produkten aus fernen Ländern wie Schokolade, Kaffee, Tee, aber zunehmen auch auf Obst wie beispielsweise auf Bananen zu finden. Fairtrade wirbt damit, dass Kleinbauern eine bessere finanzielle Absicherung erhalten und setzt sich für verbesserte Arbeitsbedingungen ein (Fairtrade Deutschland, 2023). In eine Studie der Universitäten Kiel und Wageningen wird das Konzept auf den deutschen Obstanbau übertragen.
Die Studie
Der erste Teil der Erhebung richtet sich an Konsumenten. Sie wurden in einem Auswahlexperiment befragt, ob sie bereit sind, Äpfel zu verbesserten Arbeitsbedingungen zu kaufen. Im zweiten Teil der Befragung werden Apfelanbau befragt. Sie können sich in der Befragung für oder gegen hypothetische Anbauverträge der ‚fairen‘ Äpfel entscheiden.
Die angebotenen Äpfel und die Produktionsverträge zeichnen sich durch die Merkmale in Tabelle 1 aus. Die Merkmale stellen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen dar und umfassen zusätzlich Bonuszahlungen an Sonn- und Feiertagen, die darauf abzielen, die hohe Einsatzbereitschaft der Saisonarbeitskräfte wertzuschätzen. Um die höheren Kosten zu denken, werden die ‚fairen‘ Produkte im Experiment zu höheren Preisen angeboten. Dem entsprechend erhalten die Anbauer höhere Preise für alle angelieferten Äpfel, wenn sie sich für einen Produktionsvertrag entscheiden.
Tabel © WUR/Uni Kiel
Die Betrachtung eines einheitlichen Produktes erlaubt es einen Markt zu simulieren, indem Zahlungsbereitschaften für die Merkmale errechnet werden (Latacz-Lohmann und Schreiner, 2019). Durch die Simulation soll die Frage beantwortet werden, ob die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten groß genug ist, um die Zahlungsforderungen der Produzenten zu erfüllen. In diesem Schritt sollen die Handelsmargen und die Überlegung, dass sich nur ein Teil der Äpfel mit dem Logo vermarkten lässt, einbezogen werden. Diese Faktoren erklären auch die großen Unterschiede zwischen den Konsumentenund den Produzentenpreisen.
Erste Ergebnisse
Bisher lässt sich nur der erste Teil der Erhebung auswerten, für den 227 Konsumenten befragt wurden. Die Befragung der Apfelproduzenten läuft noch. Im Experiment entscheiden sich die Konsumenten mit einer Wahrscheinlichkeit von 85% für einen ‚fairen‘ Apfel. Verbesserungen der Arbeitsbedingungen werden signifikant positiv bewertet. Besonders bedeutsam sind eine Sozialversicherungspflicht, Bonuszahlungen an Sonn- und Feiertagen und höhere Mindestlöhne. Für diese Änderungen zeigt sich eine größere Zahlungsbereitschaft. Auch eine geringere wöchentliche Arbeitszeit und Doppelzimmer werden positiv bewertet, die Zahlungsbereitschaften sind jedoch gering. Die Charakteristika der Teilnehmer verraten zudem, wer eher zu den ‚faireren‘ Produkten greifen würden. Frauen, Konsumenten ohne Hochschulabschluss und solche, die Wert auf regionale und ökologische Produkte legen, interessieren sich für die ‚fairen‘ Äpfel.
Diskussion
Die ersten Ergebnisse entsprechen den Erwartungen, sie spiegelt wider, dass europäische Konsumenten eine gewisse Vorliebe für Fairtrade Produkte zeigen (Mahè, 2010). Die gefundene hohe Wahrscheinlichkeit, sich für ein Produkt zu entscheiden, lässt sich möglicherweise auch darauf zurückführen, dass Äpfel relativ günstig sind und im Experiment außerdem eine einmalige Kaufentscheidung betrachtet wird. Diese Aspekte werden in kommenden Erhebungen in den Fokus gerückt. Die Merkmale der Konsumenten, die den Apfel kaufen würden, entsprechen teilweise den Erwartungen. Dass Konsumenten mit höherer Bildung nicht interessiert sind, erstaunt zunächst. Das Ergebnis wurde jedoch auch in einer amerikanischen Studie, die sich mit Fairtrade Erdbeeren befasst, gefunden und auf die große soziale Distanz zwischen Hochausgebildeten und Erntehelfern zurückgeführt (Howard und Allen, 2008).
Die bisher vorliegenden Ergebnisse lassen noch keine Rückschlüsse zu, welche arbeitsrechtlichen Aspekte aus politischer Sicht verschärft werden sollten. Zum einen, weil noch nicht ermittelt werden kann, ob die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten über den Kompensationsanforderungen der Landwirte liegt. Zum anderen, weil auch die Perspektive der Saisonarbeitskräfte einbezogen werden sollte.
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Eine Teilnahme an der Umfrage ist für Apfelanbauer über den folgenden Link möglich: https://de.surveymonkey.com/r/Apfelumfrage , alternativ können Sie auch einfach den QR-Code einscannen.
Die Teilnahme ist anonym und nimmt etwa 15-20 Minuten in Anspruch
Quelle: Insa Thiermann (Universität Wageningen) & Uwe Latacz-Lohmann (Universität Kiel)
Veröffentlichungsdatum: 30. August 2023