Der Bundesrat möchte den Einsatz neuer gentechnischer Verfahren liberalisieren und dabei das verfassungsmässige Vorsorgeprinzip berücksichtigen. Gleichzeitig möchte er den Vorschlägen der EU folgen. Diese diskutiert zurzeit eine weitgehende Liberalisierung und will neue genomische Verfahren sogar im Biolandbau zulassen, wie Bio Suisse, die führende Bio-Organisation der Schweiz und Eigentümerin der Marke Knospe, berichtet.
Die Bio-Branche fordert: Die heute geltenden Regelungen zur Sicherung von Wahlfreiheit und Transparenz müssen anwendbar bleiben. Und gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere müssen weiterhin auf Risiken geprüft werden, bevor sie auf unseren Tellern landen.
80 Prozent der Schweizer Konsument:innen lehnen Gentechnik in Nahrungsmitteln ab. Möglicherweise werden sie aber in Zukunft gezwungen, diese trotzdem zu essen, weil sie gentechnisch veränderte Produkte mangels Kennzeichnung gar nicht erkennen können. Und die Hersteller von Bio- oder gentechfrei-Produkten müssen mit hohem eigenem Aufwand gewährleisten, dass keine Gentechnik in ihre Wertschöpfungsketten gelangt. Die Bio-Branche begrüsst darum, wenn der Bundesrat den Wünschen der Konsument:innen nach Transparenz und Sicherheit – anders als die EU-Kommission – Rechnung tragen will.
Bundesrat will EU-Vorschlag folgen
Mit einem Gesetzes-Trick soll in der EU dafür gesorgt werden, dass der überwiegende Teil gentechnisch veränderter Nahrungsmittelpflanzen nicht mehr auf Risiken geprüft und nicht mehr deklariert werden muss. Solche Pflanzen sollen sogar im Biolandbau erlaubt werden, obwohl sie von den Bio-Organisationen und den Bio-Konsument:innen dezidiert abgelehnt werden. Der Bundesrat ist darin zu bestärken, dass er diese Regelung nicht tel quel für die Schweiz übernehmen will.
Würde er der EU folgen, kämen gentechnisch veränderte Sorten ohne Risikoprüfung in den Anbau. Erleiden Bäuer:innen, Verarbeiter oder Konsument:innen Schäden durch GVO, müssten sie vor Gericht Schadenersatz erstreiten und die nötigen Beweise erbringen. Dies ist schwierig, riskant und kostspielig. Das aktuelle Schweizer Gentechnikgesetz ist in diesem Punkt heute streng, würde aber durch die Neuregelung völlig unterlaufen.
Bio-Branche fordert Rücksicht auf Bio
Urs Brändli, Präsident von Bio Suisse, spricht sich nachdrücklich gegen jeden Einsatz von Gentechnik im Bio-Bereich aus und fordert klare Rahmenbedingungen: «Bio-Produkte müssen weiterhin frei von Gentechnik bleiben. Dies verlangen die Konsument:innen, aber auch alle Bio-Organisationen weltweit. Die Anwender von Gentechnik dürfen nicht privilegiert werden, indem Risiken und Kosten auf die Bio-Landwirt:innen und die Konsument:innen abgeschoben werden. Wir fordern mehr Perspektiven für die agroökologische Landwirtschaft und keine neuen Privilegien für die Agrarindustrie.»
Niklaus Iten, Präsident der IG Bio, verlangt griffige Gesetze, um die Koexistenz zu ermöglichen: «Die Bio-Branche ist auf Transparenz und auf klare Haftungsregeln angewiesen. Das bisherige Gentechnikgesetz stellt dies sicher, aber nur wenn es auch auf die neuen gentechnischen Verfahren angewendet wird. Dies ist durch den Bundesrat zu berücksichtigen.»
Amadeus Zschunke, Züchter bei der führenden Schweizer Biozüchtungsorganisation Sativa, betont: «Auch in der EU regt sich grosser Widerstand gegen den Abbau des Schutzes der Züchter:innen, Landwirte und Konsument:innen gegen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen und -tiere. Wir Pflanzenzüchter:innen brauchen diesen Schutz, um arbeiten zu können. Wir wehren uns dagegen, dass der Gesetzgeber Techniken bevorzugen will, die ihre Versprechen seit 30 Jahren nicht erfüllen können.» Und Monika Baumann, Züchterin bei GZPK, einem Schweizer Pflanzenzüchtungsverein, legt nach: «Züchtung ist viel anspruchsvoller als das simple Lego-Spiel, das uns eine mächtige Industrielobby vorgaukeln will. Es braucht mehr Mittel und klare Regeln, dass die erfolgreiche Schweizer Bio-Züchtung weitergeführt werden kann. Die EU-Lösung ist dafür nicht geeignet. Wir erwarten vom Bundesrat, dass er wie angekündigt einen vorsichtigen Kurs fährt und das Vorsorgeprinzip berücksichtigt.»
Quelle: Bio Suisse
Veröffentlichungsdatum: 02. November 2023