Natalie Rangno zieht ihr Fazit: Eine 50-prozentige oder sogar 100-prozentige torffreie Pilzproduktion sei aus ihrer Sicht möglich. Auf der Jahrestagung des BDC Ende September in Heil-bronn stellte die Wissenschaftlerin vom Institut für Holztechnologie Dresden (IHD) erste Ergebnisse des Projektes „MykoDeck“ vor – und ließ dabei nicht außer Acht, an welche Bedingungen ein erfolgreicher Einsatz in der Praxis geknüpft ist.
Foto © BDC
Gute Qualität der Pilze
Die Zwischenergebnisse, die Rangno den Teilnehmer: innen der Tagung präsentiert, stimmen zuversichtlich: Bei drei von fünf Pilzbetrieben wurden mit 50 % torfreduzierten beziehungsweise torffreien Abdeckerden höhere Erträge erzielt als bei den Kontrollen mit Torf. Auch die Stimmen aus den beteiligten Betrieben waren zu großen Teilen positiv, so die Wissenschaftle-rin. „Gute Stückzahl und Spreitung“, „gute Qualität der Pilze“ oder „die Pilze sind etwas schwerer und aromatischer“ lauteten die Kommentare. Die torfreduzierte Abdeckerde schien in den Versuchen jedoch etwas schneller auszutrocknen als die torfhaltige Kontrolle und musste etwas häufiger gewässert werden.
Hauptbestandteile Kompost und Holz
Die entwickelten torfreduzierten und torffreien Abdeckerden bestanden laut Rangno haupt-sächlich aus Kompost und aus Holz. Die ersten Rezepturen wurden im Institut für Holztechno-logie Dresden (IHD) auf Basis der torffreien Komposte der LAV Technische Dienste GmbH & Co. KG (Markranstädt) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS (Dresden) entwickelt – im Rahmen des FNR-Verbundprojekts MykoDeck (2021-2024). Die genauen Rezepturen gab die Expertin jedoch noch nicht bekannt.
Forschung und Entwicklung
Zuerst analysierten und verglichen die Projektpartner LAV und IKTS die chemischen und physikalischen Eigenschaften von verschiedenen importieren torfhaltigen Abdeckerden und von 45 einheimischen nachwachsenden Roh- und Reststoffen aus der Holzindustrie und der Landwirtschaft. Darüber hinaus wurden biologische Untersuchungen im IHD durchgeführt, darunter die mikrobielle Belastung der Proben. Auf diese Weise konnte man sicherstellen, dass sie definierte Gehalte an mineralischen Bestandteilen und organischen Nährstoffen sowie an Nutzbakterien aufweisen und sich so auf die gewünschten Eigenschaften der Torfersatzstoffe einstellen lassen. Aus den untersuchten Ausgangsstoffen wurden dann 120 ver-schiedene Mischungen im IHD gezielt hergestellt und bewertet. In umfangreichen Laborunter-suchungen wurden mehrere IHD-Rezepturen von torffreien Abdeckerden entwickelt. Eine Rezeptur wurde schließlich in Betriebsversuchen getestet.
Erfolg ist an verschiedene Bedingungen geknüpft
Ein Ziel der Praxistests ist es, konkrete Handlungsempfehlungen für die Herstellung und den Einsatz torffreier Abdeckerden erarbeiten zu können – zuerst für Champignons, dann für wei-tere Kulturpilze. Das Verbundprojekt soll noch bis Juli 2024 laufen. Transferpartner aus der Branche sind Pilzhof Pilzsubstrat Wallhausen GmbH (Substrathersteller) und ReiPiKo Reit-zenhainer Pilzkorb GmbH (Pilzanbauer) aus Marienberg in Sachsen, wo die ersten 100 % torffreien Versuche mit weißen Champignons gerade stattfinden. Die Ergebnisse der aktuellen IHD-Laborversuche mit Champignons (braun und weiß) ohne Torf sind der Wissenschaft-lerin zufolge sehr vielversprechend.
Aktuell läuft nach Angaben von Rangno die weitere Auswertung der Versuche sowie die Op-timierung der Rezepturen. Auch Laborversuche mit weiteren torffreien Rezepturen sind in Arbeit. Aus den bisherigen Ergebnissen zieht die Wissenschaftlerin das Fazit: „50 % bis 100 % torffreie Pilzproduktion ist möglich.“ Sie fügt jedoch eine Reihe von Bedingungen an. Voraus-setzung sei unter anderem, dass die Rohstoffe für die Rezepturen verfügbar sind, die Klimabedingungen und die Bewässerung angepasst werden und die Produktionskosten nicht weiter steigen dürfen. Auch sei es wichtig, dass die Erträge vergleichbar beziehungsweise besser sind als bei Verwendung torfhaltiger Abdeckerden. Rangno machte deutlich, dass Be-triebe und Forschung unbedingt zusammenarbeiten müssten.
Kontroverse Diskussionen
Von Seiten des BDC wurde zur Vorsicht gemahnt, keine vorschnellen Aussagen zur funktio-nierenden torffreien Produktion zu treffen. Die Betriebe würden den Prozess sehr gerne un-terstützen, aktuell stünden sie jedoch mit dem Rücken zur Wand. Eine Umstellung sei ein langer Prozess. Insbesondere für die im Pilzanbau überwiegend vorhandenen Familienbetrie-be sei es wichtig, eine Perspektive zu haben, sagte der Vorsitzende Hans Deckers und brach-te es auf den Punkt: „Wir brauchen sichere Erden.“
Dr. Thomas Schmidt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) machte klar, dass die Forschungsprojekte genau dazu dienten, Alternativen zu finden und bereitzustellen. Es solle nicht einfach darum gehen, etwas zu verbieten, ohne entsprechende Hilfe zu erhalten. Das von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) geförder-te Projekt ist zunächst bis Juli 2024 angelegt. Neben den Versuchen steht auch die Wirt-schaftlichkeit im Fokus. Diese beinhaltet unter anderem die Rohstoffverfügbarkeit, die Her-stellungskosten, eine Preis- und Logistikstrategie sowie Qualitätssicherungsmaßnahmen.
Die weltweit ersten torffreien Abdeckerden für die Produktion von Champignons und anderen Kompostpilzen, wie Mandel- und Schopftintlingen, sollen künftig – voraussichtlich in 3 Jahren – nach pilzspezifischen IHD-Rezepturen vom Industriepartner LAV produziert werden. Für deren Qualitätssicherung werden die beiden Forschungspartner IHD und IKTS zuständig sein.
Quelle: Bund Deutscher Champignon- und Kulturpilzanbauer (BDC) e.V.
Veröffentlichungsdatum: 13. Dezember 2023