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Quarantäneorganismen im Schweizer Gemüsebau: Eine wachsende Bedrohung mit weitreichenden Folgen

Die Bekämpfung von Quarantäneorganismen ist ein komplexes Unterfangen, das nicht nur präzise Diagnosen und schnelle Reaktionen erfordert, sondern auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtinnen und Landwirten, kantonalen Pflanzenschutzdiensten sowie den nationalen Behörden.


Sorgfältige Kontrolle auf das Jordanvirus. (Foto © LID.ch)

Die Schweizer Landwirtschaft steht vor einer zunehmenden Herausforderung durch Quarantäneorganismen, die nicht nur die heimische Pflanzenwelt bedrohen, sondern auch erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen können – unter anderem im Gemüsebau. Im letzten Jahr rückte das Thema ins Rampenlicht, als Ingwer, kontaminiert mit dem Bakterium Ralstonia pseudosolanacearum, in die Schweiz gelangte und auf 16 Betrieben in neun Kantonen nachgewiesen wurde. Dieses Ereignis verdeutlicht die Vulnerabilität des Gemüsebaus gegenüber eingeschleppten Schadorganismen und wirft ein Schlaglicht auf die Notwendigkeit, Quarantäneorganismen und ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft ernst zu nehmen.

Besorgniserregende Liste

Es gibt eine besorgniserregende Liste von Quarantäneorganismen, die in der Schweiz bereits identifiziert wurden. Laut Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) befinden sich darunter neben dem Bakterium Ralstonia pseudosolanacearum unter anderem auch der Japankäfer, das als Jordanvirus bekannte Tomato brown rugose fruit virus (ToBRFV), verschiedene Arten von Nematoden und der Asiatische Laubholzbockkäfer. Für den Gemüsebau stellen insbesondere die Nematoden, das Jordanvirus, der Japankäfer und das Bakterium Ralstonia pseudosolanacearum eine Bedrohung dar. Diese Organismen richten in unterschiedlichen Bereichen des Gemüsebaus Schäden an – von der Zerstörung der Wurzeln bis hin zur Beeinträchtigung der Fruchtqualität – und bedrohen somit die Lebensgrundlage vieler Gemüsebäuerinnen und Gemüsebauern.

Frühes Erkennen als Basis der Bekämpfung

Die Herausforderung beginnt mit der Identifikation der Quarantäneorganismen, welche durch Verdachtsfälle und anschliessenden positiven Tests geschieht. Die Entdeckung erfolge durch Laboruntersuchungen von Proben, die routinemässig oder auf Verdacht gesammelt werden, erklärt das BLW auf Anfrage. Die Schweiz setzt dabei auf fortschrittliche Technologien und Methoden zur Identifikation und Diagnose von Quarantäneorganismen: «Je nach Organismen kommen unterschiedliche Methoden und Technologien zum Einsatz – von morphologischen Untersuchungen bis hin zu modernsten molekularen Tests», erklärt BLW-Mediensprecherin Sarah Kehrli. Und diese Untersuchungen sind entscheidend, um Ausbrüche frühzeitig zu erkennen und entsprechende Gegenmassnahmen einzuleiten.

Fälle in diversen Kantonen

So wurden unter anderem in den Kantonen Aargau, Bern und Thurgau spezifische Fälle von Ralstonia pseudosolanacearum, sowie Nematoden und anderen Schädlingen wie dem Maiswurzelbohrer festgestellt. «Es gab Verdachtsfälle, welche durch den Pflanzenschutzdienst abgeklärt wurden – dabei kamen auch positive Fälle heraus», erklärt Andreas Distel, Leiter des Pflanzenschutzdienstes beim landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg im Kanton Aargau. «Im Kanton Bern wurden einige Fälle von Zystennematoden auf Kartoffeln entdeckt sowie ein Nematoden-Fall im Karottenanbau und ein Ralstonia-Fall auf Ingwer», teilt die Fachstelle Pflanzenschutz des Kantons Bern mit und ergänzt: «Ausserdem wurden Maiswurzelbohrer in den meisten Maisanbaugebieten des Kantons gefunden.» Und auch im Kanton Thurgau gab es Fälle mit Quarantäneorganismen, bestätigt Florian Sandrini, Leiter des Pflanzenschutzdienstes beim landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Arenenberg. «Wir stellten das Ralstonia-Bakterium auf drei Betrieben fest und fingen den Maiswurzelbohrer», erklärt er.

Internationaler Handel sorgt für Verbreitung

Die Wege, auf denen diese Quarantäneorganismen in die Schweiz gelangen, sind vielfältig. So tragen menschliche Aktivitäten wie der internationale Handel tragen massgeblich zur Verbreitung bei: «Aufgrund des stetig wachsenden globalen Warenhandels und Reiseverkehrs steigt auch das Risiko, dass neue besonders gefährliche Schädlinge und Krankheiten von Pflanzen eingeschleppt und hierzulande verbreitet werden», erklärt Sarah Kehrli vom BLW und ergänzt: «Lokal können sich einige Quarantäneorganismen auch auf natürlichem Wege ausbreiten – beispielsweise Insekten via Flug.» Der Klimawandel verschärft laut BLW das Problem ausserdem noch, indem er die Bedingungen für das Überleben und die Ausbreitung dieser Organismen verbessert. Die globale Vernetzung und der Klimawandel sind somit doppelte Treiber für die zunehmende Bedrohung durch Quarantäneorganismen.

Mittel zur Bekämpfung fehlen oft

Einmal entdeckt erfordert die Bekämpfung von Quarantäneorganismen in der Folge ein breites Spektrum an Massnahmen, die je nach Art des Schädlings und der lokalen Gegebenheiten wie Grösse und Ort des Befallherds oder Art des befallenen Ortes wie Acker oder Gewächshaus und schliesslich Art der befallenen Ware abhängen. «Das BLW bestimmt die geeigneten Bekämpfungsmassnahmen jeweils pro Schadorganismus und oft von Fall zu Fall», erklärt Sarah Kehrli. So seien die Bekämpfungsmassnahmen gegen Ausbrüche des Jordanvirus beispielsweise in einem Notfallplan des BLW beschrieben und die Bekämpfungsmassnahmen gegen den Japankäfer habe das Bundesamt in einer Allgemeinverfügung festgelegt.

«Die Bekämpfungsmassnahmen sind je nach Schadorganismus und Befallssituation unterschiedlich effektiv – oft fehlen bei Quarantäneorganismen das Wissen, wie man sie bekämpfen kann und die Mittel respektive Methoden für deren Bekämpfung», erläutert Sarah Kehrli weiter.

Einschneidende Konsequenzen für die Betriebe

Die Bekämpfungsmassnahmen bei einem Befall durch das Bakterium Ralstonia pseudosolanacearum umfassen unter anderem die Rodung betroffener Flächen unter strengen Hygienevorschriften, eine anschliessende Brachzeit von mehreren Monaten und danach Einschränkungen bei der Kulturauswahl – und das über Jahre. Diese Massnahmen seien aber notwendig, um eine weitere Verbreitung der Organismen zu verhindern, auch wenn sie für die betroffenen Betriebe sehr einschneidend und sogar existenziell bedrohlich sein können, meint Andreas Distel vom landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg: «Die Quarantäneorganismen haben das Potential, sehr grosse wirtschaftliche, ökologische und soziale Schäden nach sich zu ziehen.»

So hätten die Organismen ohne Massnahmen das Potential gegebenenfalls die Produktion stark zu beeinträchtigen oder sogar zu verunmöglichen, bestätigt auch die Fachstelle Pflanzenschutz des Kantons Bern. «Es ist uns bewusst, dass es bei einem Befall mit einem Quarantäneorganismus zu Produktionseinschränkung kommen kann – aber was ist jedoch die Alternative?», gibt die Berner Pflanzenschutz-Fachstelle weiter zu bedenken. Und die Massnahmen, die gegen einen Ausbruch ergriffen würden, seien insbesondere beim Ralstonia-Bakterium sehr verhältnismässig, ergänzt Florian Sandrini vom landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Arenenberg. «Es handelt sich um Quarantäneorganismen – die Auswirkungen eines grossflächigen Ausbruchs können fatal sein», warnt auch er. Glücklicherweise sei der Ausbruch von Ralstonia pseudosolanacearum im Kanton Thurgau bis anhin nur kleinräumig gewesen: «In beprobten Nachbarflächen konnten wir keine Ausbreitung feststellen – wir haben die Situation unter Kontrolle», erläutert Florian Sandrini weiter.

Jeder zweite Ausbruch wird getilgt

Generell gilt, je früher ein Ausbruch eines Quarantäneorganismus festgestellt wird, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass der Schadorganismus ausgemerzt werden kann. «Deswegen investieren Bund und Kantone relativ viele Ressourcen in die Überwachung der Schweiz in Bezug auf Quarantäneorganismen, um deren frühzeitige Detektion zu ermöglichen», erklärt Sarah Kehrli vom BLW. Erfahrungsgemäss könne so in der Schweiz rund jeder zweite Ausbruch eines Quarantäneorganismus wieder getilgt werden. «In den anderen Fällen können sich die Quarantäneorganismen aber trotz Gegenmassnahmen etablieren und teilweise in der Schweiz verbreiten – wie dies beispielsweise beim Japankäfer der Fall ist», so die BLW-Sprecherin weiter.

Die schweizerische Gesetzgebung bildet dabei das Rückgrat der Bemühungen zur Eindämmung von Quarantäneorganismen. Durch internationale Abkommen wie dem Internationale Pflanzenschutzübereinkommen (IPPC) und der engen Zusammenarbeit mit Organisationen wie der Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO) stärkt die Schweiz ihre Fähigkeit, auf Ausbrüche zu reagieren und präventive Massnahmen zu ergreifen. Die Teilnahme an EU-Kommissionssitzungen des Ausschusses für Pflanzengesundheit ermöglicht es der Schweiz, mit internationalen Entwicklungen Schritt zu halten und rasch auf neue Bedrohungen zu reagieren.

Strategien zur Stärkung der Resilienz

So investiert die Schweiz erheblich in die Überwachung und Früherkennung, um Ausbrüche schnell eindämmen zu können. Die Effektivität dieser Massnahmen hängt jedoch stark von der frühen Detektion und der Verfügbarkeit wirksamer Bekämpfungsstrategien ab. Die Herausforderungen bei der Bekämpfung von Quarantäneorganismen umfassen aber nicht nur die Umsetzung der notwendigen Massnahmen, sondern auch die Sensibilisierung und die Sicherstellung der Kooperation der Landwirtinnen und Landwirte und die effektive Nutzung von Instrumenten wie dem Pflanzenpass. «Wenn die Massnahmen und Instrumente korrekt umgesetzt werden, dann sind sie effektiv», betont Andreas Distel vom landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg, weist aber auch auf die Schwierigkeiten hin, die entstehen, wenn die Produzentinnen und Produzenten nicht richtig mitarbeiten: «Die Betriebe müssen sich bewusstwerden, dass der Kanton und auch der Bund diese Übungen letztendlich für die Branche macht und nicht aus Spass an der Freude – der ganze Apparat ist dazu gedacht, den hiesigen Anbau nachhaltig zu schützen.»

So erfordern die Risikobewertung und das Management eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kantonen, dem Bund und den Landwirtinnen und Landwirten, um die Auswirkungen auf die Landwirtschaft zu minimieren. «Entscheidend für den Erfolg bei der Bekämpfung ist das Vertrauen zwischen Pflanzenschutzdienst, den Betroffenen und den Verbänden», betont auch Florian Sandrini vom landwirtschaftlichen Kompetenzzentrum Arenenberg. Diese Aussage unterstreicht die Notwendigkeit eines kollektiven Ansatzes, um die Landwirtschaft vor der Bedrohung durch Quarantäneorganismen zu schützen.

Seit Jahren Zunahme der Fälle

Die Erfahrungen aus den Kantonen Aargau, Bern und Thurgau zeigen, dass die Stärkung der Resilienz der Gemüseproduktion gegenüber Quarantäneorganismen ein mehrschichtiger Prozess ist, der das Bewusstsein und die Prävention ebenso umfasst wie die Reaktion auf Ausbrüche. Die Bedeutung von Bildung, Sensibilisierung und der Entwicklung effektiver Strategien zur Bekämpfung und Verhinderung der Ausbreitung von Quarantäneorganismen ist unbestritten, denn die Zukunft wird zweifellos weitere Herausforderungen mit sich bringen: «Wir beobachten seit Jahren eine Zunahme an Ausbrüchen von Quarantäneorganismen in der Schweiz und gehen davon aus, dass diese negative Entwicklung auch in den kommenden Jahren so weitergehen wird», warnt Sarah Kehrli vom BLW denn auch.

Die Schweiz bereite sich durch die Entwicklung von Notfallplänen und die Intensivierung der Überwachungs- und Sensibilisierungsbemühungen aber bestmöglich darauf vor. «Mit jedem Ausbruch eines Quarantäneorganismus in der Schweiz lernen wir etwas dazu, das wir für zukünftige Fälle einsetzen können und für die Produzentinnen und Produzenten für ihre Pflanzenschutzmassnahmen wichtig ist», ergänzt sie. So würden Erfolgsgeschichten und Best Practices wertvolle Lektionen bieten, die helfen könnten, zukünftige Ausbrüche effektiver zu bekämpfen und die Auswirkungen auf den Gemüsebau zu minimieren.

Insgesamt zeigt sich, dass der Kampf gegen Quarantäneorganismen eine kontinuierliche Anstrengung erfordert, die auf wissenschaftlicher Forschung, internationaler Zusammenarbeit und dem Engagement der gesamten Branche wie auch der Gesellschaft basiert. Die Schweiz steht vor der Herausforderung, ihre Landwirtschaft vor diesen unsichtbaren Eindringlingen zu schützen und gleichzeitig die Grundlagen für eine nachhaltige und resiliente Lebensmittelproduktion zu stärken.

 

Quelle: LID.ch

Veröffentlichungsdatum: 04. März 2024