Hersteller und Experten diskutierten auf dem 14. Forum Grüner Punkt die Frage, wie Verpackungen aus Kunststoff und anderen Packstoffen nachhaltiger werden können.
Foto © Grüner-Punkt
Volles Haus in der Grüner-Punkt-Zentrale in Köln: CEO Laurent Auguste begrüßte zahlreiche Kundinnen und Kunden des Grünen Punkts wie auch Vertreter aus der Verbandslandschaft und Wissenschaft zum 14. Forum Grüner Punkt. Unter dem Titel „One step beyond – Kreislaufwirtschaft“ wagten renommierte internationale Expertinnen und Experten den Blick über den Tellerrand der Kreislaufwirtschaft für Verpackungen. Wohin entwickelt sich das Recycling? Welche Rolle spielt die Sortierung? Was leistet die künstliche Intelligenz in diesem Zusammenhang? Und vor allem: Auf welche gesetzlichen Anforderungen in Sachen Rezyklateinsatz und Recyclingfähigkeit muss sich die Wirtschaft einstellen?
Unter der Leitung von Professor Dr.-Ing. habil. Marek Hauptmann ist die Dresdener Abteilung Verpackungs- und Verarbeitungstechnologie des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV wichtiger Akteur im „KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen KIOptiPack“ des Bundesforschungsministeriums (BMBF). In seiner Keynote „Nachhaltigkeit von Kunststoffverpackungen durch KI verbessern“ stellte er seinen Forschungsschwerpunkt vor.
Mit dem Ziel des funktionsbezogenen Materialeinsatzes von recycelten Polymerqualitäten in Prozessen der Verpackungsherstellung verknüpft Hauptmann mit seinem Team erstmalig alle Materialdaten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dazu gehören Störstoffe und Fremdmoleküle aus dem Recycling, Geruchsstoffe, entscheidende Kenngrößen zur Beschreibung des Verarbeitungsverhaltens von Kunststoffen und Folien, Richtkriterien des Verarbeitungserfolges, Maschinenkonfiguration und -einstellungen. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz wollen die Forscher den Weg für eine nachhaltigere Kreislaufwirtschaft ebnen.
Anna Kupferschmitt, Leiterin Europapolitik und Kommunikation bei der AVU – Allianz Verpackung + Umwelt referierte zu Europäischen Verpackungsverordnung: „PPWR, und weitere Vorgaben – wie tiefgreifend sind die Veränderungen?“ Die Verpflichteten in den EU-Mitgliedstaaten müssen sich u.a. auf Vorgaben zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen bis hin zu geplanten Vertriebsverboten und differenzierte Rezyklateinsatzquoten für Kunststoffverpackungen einrichten. Kupferschmitts Einschätzung nach wird die PPWR auch unter einem neu zusammengestellten EU-Parlament zum Jahresende verabschiedet werden.
Zu den Gesetzesvorhaben, die für die deutsche Wirtschaft nicht minder bedeutsam und herausfordernd werden, jedoch noch nicht genau zu terminieren sind, zählt sie u.a. die EU-Vorgaben zur Massenbilanzierung für das chemische Recycling, die Reformen des deutschen Verpackungsgesetzes mit dem § 21 (Lizenzentgeltmodulation) und die Umlage der EU-Kunststoffsteuer auf die Hersteller.
Wie stark die PPWR ein Packmittel beeinflusst, machte Martin Schröder, Geschäftsführer des Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e.V. (FKN), mit seinem Beitrag „Die Auswirkungen der PPWR auf den Getränkekarton!“ deutlich. 490.000 Tonnen Getränkekartons fallen jährlich in der EU als Verpackungsabfälle an. Als schwierig bis kaum lösbar schätzt er die Einhaltung der Mindestrezyklatanteile ein, insgesamt sieht er die Getränkekartonbranche jedoch sehr gut vorbereitet auf die PPWR und die möglichen delegierten Rechtsakte.
Bis zu 150 Millionen Euro planen die Getränkekartonhersteller EU-weit in Recyclinganlagen wie die Palurec GmbH nahe Köln zu investieren. Hier werden die Kunststoff- und Aluminium-Bestandteile aus Getränkekartons zunächst voneinander getrennt und anschließend zu HDPE, LDPE und Aluminium aufbereitet.
Denis Völler, Vice President Einkauf und Supply Chain beim Grünen Punkt, machte in seinem Vortrag „Sortiertechnologie als Motor des Kunststoffrecyclings: Europas modernste Sortieranlage für Leicht- und Metallverpackungen“ deutlich, welche Bedeutung die Sortierung für die weiterführenden Recyclingschritte gebrauchter Verpackungen hat.
Was heute in dieser Richtung möglich ist, stellte er am Beispiel der TriPlast-Sortieranlage in Ennshafen, Österreich, dar. Dieses Joint Venture von ARA, Bernegger und Grünem Punkt betreibt aktuell die modernste Sortieranlage in Europa und ist seit Februar 2024 im Probebetrieb. Bei einer Kapazität zur Verarbeitung von 100.000 Tonnen Leichtverpackungen pro Jahr werden 24 sortenreine Outputfraktionen gewonnen – mehr als doppelt so viele wie in einer durchschnittlichen Sortieranlage.
Von der Sortierung zum Recycling von Kunststoffverpackungen: Professorin Kim Ragaert, Full Professor and Chair of Circular Plastics – Maastricht University, präsentierte in ihrem Vortrag „From mechanical to chemical recycling of plastics – how does a complimentary system work?“ aus wissenschaftlicher Perspektive, wie sich mechanische und chemische Recyclingverfahren von Kunststoffen in einem komplementären System ergänzen. Sie rät, nicht in Recyclingquoten zu denken, sondern in Ersatz von neuem (fossilem) Brennstoff (virgin fuel displacement).
Es sei notwendig, den Kohlenstoffkreislauf insgesamt zu betrachten und eine technologieunabhängige Recyclingkaskade aufzubauen, die darauf basiere, den effizienten Einsatz von Energie und die Eignung der jeweiligen Polymertechnologie zu berücksichtigen. Unter diesen Annahmen hält sie in Bezug auf die Recyclinquoten (Input) bis zu 80 Prozent für möglich, bis zu 70 Prozent in Bezug auf den Ersatz von Brennstoffen (Output). „There is no silver bullet“: Um diese Ziele zu erreichen, ist ihrer Einschätzung nach mehr als nur eine Technologie erforderlich.
Diesen Ball nahm abschließend Mark Vester auf, Executive Vice President Deutschland und Business Development des Grünen Punkts. Er machte in seinem Vortrag zur Unternehmsstrategie „GreenDot: only the mix can do it“ die Transformation des Grünen Punkts hin zum internationalen Recyclingspezialisten deutlich. Der Grüne Punkt engagiere sich 2024 als Unternehmensgruppe europaweit in fünf Bereichen: EPR, Sortierung, mechanisches und chemisches Recycling sowie bei der Vorbereitung von Einsatzstoffen für das chemische Recycling. Dazu betreibe man eigene Anlagen oder engagiere sich in Joint Ventures wie der TriPlast in Ennshafen. So sieht nach aktuellem Stand die Planung vor, 2025 in Frankreich mit einer Pyrolyseanlage und 2027 in Deutschland mit einer Anlage zur Feedstockvorbereitung für das chemische Recycling an den Start zu gehen.
Informationen zu den Gastredner und ihren Vorträgen finden Sie HIER.
Quelle: Der Grüne Punkt
Veröffentlichungsdatum: 20. Juni 2024