Die Verwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln ist im ökologischen Landbau nicht erlaubt. Trotzdem werden auch in ökologischen Erzeugnissen immer wieder Rückstände dieser Mittel gefunden. Was passiert mit den Produkten? Welche Maßnahmen muss der ökologisch wirtschaftende Betrieb ergreifen, um weitere Kontaminationen zu vermeiden?
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Was sagt die EU-Öko-Verordnung 2018/484 zu Rückständen?
Wenn man von Rückständen spricht, ist in der EU-Öko-Verordnung die Rede vom "Vorhandensein von nichtzugelassenen Erzeugnissen oder Stoffen". Werden diese Stoffe in ökologischen Erzeugnissen gefunden, ist das laut EU-Öko-Verordnung ein "Verdacht auf einen Verstoß", und wird wie folgt geregelt:
"Hat ein Unternehmer den Verdacht, dass ein Erzeugnis, das er produziert, aufbereitet, eingeführt oder von einem anderen Unternehmer erhalten hat, nicht diese Verordnung erfüllt, geht er vorbehaltlich Artikel 27 folgendermaßen vor:
a) Er identifiziert und isoliert das betreffende Erzeugnis;
b) er überprüft, ob der Verdacht begründet ist;
c) er bringt das betreffende Erzeugnis nicht als ökologisches Erzeugnis oder Umstellungserzeugnis in Verkehr und verwendet es nicht in der ökologischen Produktion, bis der Verdacht ausgeräumt werden kann;
d) wenn der Verdacht begründet ist oder nicht ausgeräumt werden kann, informiert er unverzüglich die betreffende Kontrollstelle und übermittelt ihnen sofern einschlägig die verfügbaren Informationen;
e) bei der Überprüfung und Feststellung der Gründe für den vermuteten Verstoß arbeitet er mit der betreffenden Kontrollstelle umfassend zusammen."
Für alle Lebens- und Futtermittel in der Europäischen Union (EU) gilt eine Rückstandshöchstmenge (MRL) für Pflanzenschutzmittel, um die Gesundheit von Menschen und Tieren zu schützen. Das EU-Recht regelt die Rückstandshöchstgehalte. Mit der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 werden die Rückstandshöchstgehalte für Pflanzenschutzmittel in Erzeugnissen tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, die für den menschlichen oder tierischen Verzehr bestimmt sind, auf Gemeinschaftsebene harmonisiert. Ein Lebensmittel ist nicht mehr verkehrsfähig, wenn der Gehalt des Rückstands diese Höchstmenge überschreitet.
Die Rolle des Vorsorgekonzeptes bei Rückständen in der Bio-Landwirtschaft
Im Artikel 28 Absatz 1 fordert die EU-Öko-Verordnung 2018/848 von allen Bio-Betrieben die Entwicklung und Umsetzung eines systematischen Vorsorgekonzeptes. Dabei handelt es sich um ein betriebliches Qualitätssicherungssystem, das von dem Betrieb eigenständig erstellt wird. So sollen Risiken der Kontamination durch Erzeugnisse und Stoffe, die für die Verwendung in der Bio-Produktion nicht zugelassen sind, sowie Risiken der Vermischung/Vertauschung von ökologischen mit nichtökologischen Erzeugnissen systematisch ermittelt und wirksam und stetig vorgebeugt werden. Vorsorgemaßnahmen müssen angemessen und verhältnismäßig sein und sie betreffen ausschließlich Risiken, die im Verantwortungsbereich der Landwirtin oder des Landwirts liegen.
"Nicht zugelassene Stoffe" im Sinne der Öko-Verordnung sind nicht zugelassene Betriebsmittel (Pflanzenschutzmittel, Düngemittel oder Bodenhilfsstoffe, Reinigungs- und Desinfektionsmittel) oder nicht zugelassene Zusatz- und Verarbeitungshilfsstoffe für Lebens- und Futtermittel. Verunreinigungen, die nicht im Verantwortungsbereich der Landwirtin oder des Landwirtes liegen, wie zum Beispiel durch Abdrift oder Belastungen aus Boden, Wasser, Luft, sind nicht durch das EU-Bio-Recht geregelt und müssen deshalb auch nicht in die Vorsorgemaßnahmen gemäß Art. 28 der Öko-Verordnung einbezogen werden. Demnach schreibt die EU-Öko-Verordnung nicht vor, dass Bio-Landwirtinnen und -Landwirte verpflichtet sind, Einfluss auf Tätigkeiten von konventionell wirtschaftenden Nachbarbetriebe zu nehmen, die außerhalb des eigenen Einfluss- und Verantwortungsbereich liegen, oder die Produktionsweise der Nachbarn in irgendeiner Weise zu beschränken. Es gibt also keinen Zwang zur generellen Vorsorgepflicht, zum Beispiel durch Nachbarschaftsbriefe, Ökofeldkennzeichnungen, Abstandsflächen oder Anlage von Schutzhecken.
Pflichten und Maßnahmen des landwirtschaftlichen Betriebs bei Verdacht auf einen Verstoß
Sinn einer speziellen Probennahme und Analyse bei Bio-Produkten ist es, zu überprüfen, ob gegen die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung verstoßen wurde. Ein positives Analyseergebnis kann also ein Verdacht auf eine gesetzeswidrige Handlung sein. Diesem Verdacht müssen Unternehmerinnen und Unternehmer eigenverantwortlich nachgehen (EU-Öko-Verordnung 2018/848 Art.27).
Die Verdachtsprüfung inklusive des Vorgehens sowie das Endergebnis müssen vom Betrieb dokumentiert sein.
Kann der Anfangsverdacht durch den Betrieb jedoch nicht beseitigt, beziehungsweise der Zweifel am Bio-Status nicht ausgeräumt werden, so ist der Betrieb gemäß den EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau dazu verpflichtet, die zuständige Öko-Kontrollstelle zu kontaktieren und von ihrem Verdacht in Kenntnis zu setzen. Diese leitet dann ihrerseits eine weitergehende Prüfung ein.
Der Betrieb ist jedoch nicht grundsätzlich rechtlich dazu verpflichtet, Ergebnisse aus ihren eigenen Probenahmen dem Kontrollverfahren zu unterstellen, sofern dieser nicht zu dem Schluss kommt, dass Zweifel am Bio-Status der Ware bestehen.
Die Rolle der zuständigen Kontrollstelle bei Rückständen in der Bio-Landwirtschaft
Kann der Betrieb die Ursache für die Kontamination nicht finden, wird die Kontrollstelle eine amtliche Untersuchung gemäß der Verordnung (EU) 2017/625 zur Überprüfung der Einhaltung der Anforderungen an die ökologische Produktion durchführen. Hierzu gehört gegebenenfalls eine weitere Probenahme durch die Kontrollstelle und die Analyse durch ein amtlich benanntes Labor.
Die Kontrollstelle klärt mögliche Ursachen für einen Eintrag der Kontamination ab. Hierzu zählen:
• Ist die Substanz für den Öko-Landbau zugelassen? Besteht eine temporäre Ausnahmegenehmigung?
Eigenschaften der Substanz (unter anderem Flüchtigkeit, Abbaurate), gegebenenfalls Altlast im Boden oder ubiquitäre Substanz?
• Ist eine aktive Anwendung sinnvoll? Ist die gefundene Substanz als Pflanzenschutzmittel zugelassen? Falls ja, in der betroffenen Kultur? Gegebenenfalls werden die Spritzpläne des Betriebes eingesehen.
• Was liegt in der Nachbarschaft des kontaminierten Feldes (Flurkarten einsehen)? Mögliche Abdrift durch konventionelle Nachbarfelder?
• Ist eine Kontamination oder Vermischung bei der Verarbeitung, Lagerung oder Transport möglich?
• Prüfung der Einhaltung der Selbstkontrolle des Betriebs (Vorsorgekonzept).
• Plausibilitätsprüfung der Stellungnahme des Betriebs.
Der betreffende Betrieb erhält die Gelegenheit, eine Stellungnahme zu den Ergebnissen der Untersuchung abzugeben. Die zuständige Kontrollstelle führt Aufzeichnungen über die durchgeführte Untersuchung.
Die Kontrollstelle prüft nun, ob sich der Verdacht auf einen Verstoß bestätigt. Also ob die Kontamination im Verantwortungsbereich des Betriebes oder außerhalb seines Verantwortungsbereiches lag.
Ein Verstoß gegen die Vorschriften zum ökologischen Landbau liegt vor, wenn eine aktive Anwendung nachgewiesen werden kann oder Vorsorgemaßnahmen nicht beziehungsweise unzureichend angewendet wurden. Nur wenn ein solcher Verstoß vorliegt, verliert die betroffene Ware ihren Bio-Status. Ist die Kontamination außerhalb des Verantwortungsbereich des Betriebes, wie zum Beispiel durch Abdrift oder Belastungen aus Boden, Wasser oder Luft, so bleibt der Bio-Status des Produktes erhalten. Das bedeutet, dass Bio nicht gleich rückstandsfrei bedeutet. Vielmehr bedeutet Bio, das eine aktive Anwendung von nicht zulässigen Stoffen ausgeschlossen und die Wahrscheinlichkeit von Rückständen durch die Anwendung von Vorsorgemaßnahmen minimiert wird.
Hier finden Sie noch weitere Details dazu.
Quelle: oekolandbau.de
Veröffentlichungsdatum: 10. Juli 2024