Österreich: Mit Kohl und Kraut durch die Krise
Für das Haushaltspanel der AMA werden die Einkäufe von Fleisch und Geflügel, Wurst, Milch und Milchprodukten, Käse, Obst, Gemüse, Erdäpfeln, Eiern, Tiefkühlprodukten, Obst- und Gemüsekonserven sowie Fertiggerichten aufgezeichnet. Alle erfassten Warengruppen konnten im ersten Quartal 2020 kräftig zulegen.
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Gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2019 verzeichnen der klassische Lebensmitteleinzelhandel, die Diskonter und weitere Einkaufsquellen wie Bäcker, Fleischer, Märkte oder Zustelldienste Zuwächse zwischen zwölf und 14 Prozent.
Kohlgemüse feiert Renaissance
Die AMA hat die umsatzstarken Produktgruppen genauer auf ihre Zuwächse untersucht. Dazu Micaela Schantl, Leiterin der AMA-Marktforschung: „Wir mussten fast schmunzeln, dass weniger nachgefragte Lebensmittel wie Kraut und Kohl nun eine Renaissance erfahren. Ihre Vorteile liegen jedoch klar auf der Hand. Sie geben den Konsumenten einen Eindruck von frischen Vitaminen bei gleichzeitig langer Haltbarkeit.“ Auf den weiteren Plätzen im Ranking folgen Konserven und Tiefkühlprodukte, die ebenfalls gut eingelagert werden können. „Die Auflistung bestätigt, dass die klassischen Zutaten fürs Kochen besonders gern gekauft wurden. Hühnerfleisch und Faschiertes landeten in vielen Haushalten als eiserne Reserve in der Tiefkühltruhe“, analysiert Schantl.
Konserven und Zutaten zu Kochen boomen
Betrachtet man die Steigerungsraten der einzelnen Warengruppen im Detail, zeigt sich, dass länger haltbare Produkte besonders gepunktet haben. Obst und Gemüse in Konserven oder tiefgekühlt verzeichnen ein Plus von mehr als zwanzig Prozent, gleiches gilt für Fertiggerichte. Zutaten, die klassischer Weise zum Kochen verwendet werden, haben ebenfalls kräftig zugelegt, etwa Eier, Kartoffeln, Frischgemüse oder Butter
30 Prozent Plus vor Ankündigung des Lockdowns
Der Monat März lief für den Lebensmitteleinzelhandel besonders gut, mit einem wertmäßigen Plus von 22 Prozent dem März 2019 (Chart 3). Heruntergebrochen auf die einzelnen Wochen startet der Zuwachs bereits mit Märzbeginn. „Mit dem ersten Gefühl der Unsicherheit füllten viele Haushalte ihre Grundvorräte auf. In der Woche 11, also mit der Ankündigung der Ausgangsbeschränkungen, haben die Menschen richtige Großeinkäufe getätigt. Hier gab es rund 30 Prozent mehr Einkaufsmenge und Umsatz“, erklärt die Marktforscherin.
Junge Haushalte legen Grundstock an
Detailauswertungen zeigen, dass sich insbesondere Haushalte mit jungen Menschen und solche mit älteren, berufstätigen Personen, die normalerweise häufig außer Haus essen, ganz besonders mit Grundvorräten eingedeckt haben. Haushalte mit niedrigem Einkommen haben ebenso gehamstert wie solche mit höheren Verdiensten, sie waren aber weniger ausgabenfreudig. Das zeigt sich daran, dass die Mengenveränderung höher war als die Steigerung der Ausgaben pro Haushalt.
So viele Fertiggerichte wie noch nie
Fertiggerichte waren absolute Top-Seller im ersten Quartal, sie verzeichnen ein Mengenplus von zwanzig Prozent. „Normalerweise sehen wir in unseren Auswertungen eher einen Umsatzrückgang in den Kategorien Nass- und Trockenfertiggerichte. In den letzten Wochen feierten Trockensuppen, Dosenravioli und Co ein echtes Revival. Diese Produkte wurden eingelagert bzw. von Menschen gekauft, die nicht mit frischen Zutaten kochen können oder möchten.“
Aktionsanteil sinkt, Bio bleibt konstant
Besonders interessant: Der Anteil jener Lebensmittel, die in Aktion gekauft wurden, ist nach dem Lockdown leicht rückläufig. Michael Blass, Geschäftsführer der AMA-Marketing, erklärt das damit, dass es den Menschen in Zeiten der Hamsterkäufe weniger um Preis und Aktionen, sondern um Versorgungssicherheit geht. In den nächsten Monaten kann sich die persönliche Betroffenheit durch Arbeitslosigkeit oder Gehaltseinbußen verändern. Umso wichtiger wird es sein, die Wertigkeit der heimischen Lebensmittel aufrecht zu halten, um auch längerfristig die Versorgung mit hochwertigen landwirtschaftlichen Produkten sicherzustellen.“
Ähnliches lässt sich aus der Entwicklung der Bio-Anteile lesen. Trotz der vielfach angespannten Situation blieben die Bio-Anteile auf konstantem Niveau. Nur bei Eiern gab es einen nennenswerten Rückgang (Chart 10). Das liegt möglicherweise daran, dass in den Wochen 11 und 12 kaum Bio-Eier in den Supermärkten verfügbar waren. „Die Nachfrage war höher als das Angebot und die Konsumenten waren froh, überhaupt Eier zu bekommen“, so Blass.
Mehr Einkaufen direkt beim Bauern
Alternative Einkaufsquellen abseits des LEH konnten im ersten Quartal ebenfalls punkten. Der Einkauf beim Bauern hat um mehr als zwanzig Prozent zugelegt, auch Bauernmärkte und Fleischhauer profitieren vom neuen Einkaufsverhalten. Diese Zahlen wertet Blass als Indiz, dass sich Konsumenten verstärkt mit Lebensmitteln und ihrer Produktion beschäftigen und dort Vertrauen schenken, wo sie Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit finden. Darüber hinaus halfen Initiativen wie die Plattform www.frisch-zu-mir.at den Direktvermarktern, neue Kunden anzusprechen.
Gastro fehlt als Abnehmer
Trotz aller erfreulichen Zuwächse im Lebensmitteleinzelhandel fehlte die Gastronomie als Abnehmer. Knapp ein Viertel der Umsätze bzw. Wareneinsätze entfallen auf die Gastronomie und Hotellerie. Besonders betroffen war Frischfleisch, denn knapp die Hälfte des Fleisches wird außer Haus konsumiert. Auch für die Eierproduzenten sind Wirte und Hotels wichtige Kunden, sie nahmen in den letzten Wochen keine Ware ab.
Quelle: RollAMA - Agrarmarkt Austria Marketing
Veröffentlichungsdatum: 15.05.2020