EU-Umweltausschuss für Aufweichung von Gentechnik-Regeln
Bei der gestrigen Abstimmung über die Parlamentsposition hat sich der Umweltausschuss (ENVI) des EU-Parlaments mehrheitlich für eine weitgehende Deregulierung neuer Gentechnik und massive Aufweichungen im geltenden Gentechnikrecht ausgesprochen und damit gegen Kennzeichnung, Risikoprüfung und Koexistenzregeln für die meisten neuen Gentechnik-Pflanzen votiert.
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Im Juli 2023 hatte die EU-Kommission ihren Vorschlag für die künftige gesetzliche Regelung von Gentechnik in der Europäischen Union vorgelegt, im Anschluss begannen die Beratungen im EP und im Agrarrat über die jeweilige Position zum Vorschlag der Kommission, als Vorbereitung für einen Trilog. Mit der gestrigen Entscheidung wurde noch keine allgemeine Position des EU Parlaments für eine Deregulierung von Gentechnik beschlossen. Die Abstimmung im Plenum des EU Parlaments findet voraussichtlich Anfang Februar statt. Auch im Agrarrat wurde bisher keine Position für mögliche Verhandlungen mit dem EU Parlament und der Kommission im sogenannten Trilog gefunden. Die Agrarminister*innen ringen auch im neuen Jahr weiter um eine gemeinsame Position.
Dazu erklärt Pia Voelker, Gentechnik-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Es ist erschreckend, dass der EU-Umweltausschuss den Vorschlägen zu einer weitgehenden Gentechnik-Deregulierung der EU-Kommission gefolgt ist. Doch damit nicht genug: Die EU-Abgeordneten haben sogar darüber hinausgehende Aufweichungen vorschlagen. Zwar ist die Entscheidung noch keine allgemeine Position des EU-Parlaments, dennoch stehen damit die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Schutz unserer Umwelt und einer gentechnikfreien Landwirtschaft mehr denn je auf der Kippe. Vor den Abstimmungen im Plenum im Februar rufen wir die Abgeordneten deshalb auf, nicht für Gentechnik-Erleichterungen und Patente zu stimmen. Sie müssen die Pläne ablehnen und Konsument*innen-Wahlfreiheit sowie die ökologische und konventionelle Landwirtschaft ohne Gentechnik weiter ermöglichen.”
Für Bioland-Vizepräsidentin Sabine Kabath bleiben viele Fragen unbeantwortet. Sie fordert die Europaabgeordneten daher auf, die für Anfang Februar geplante Abstimmung im Parlament zu Gentechnik zu verschieben.
Sie sagt, die gestrige „Abstimmung im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments zeigt: viele Fragen sind noch ungelöst: zu Risiken, Patenten und dem Recht von Landwirten und Verbrauchern, die weiterhin keine Gentechnik wollen. Anstatt jetzt eine überstürzte Abstimmung EU-Parlament abzuhalten, sollten die Abgeordneten sich lieber etwas Zeit nehmen und darüber diskutieren, wie Landwirte, Verbraucher und die Umwelt vor den Risiken, die mit der Neuen Gentechnik verknüpft sind, geschützt werden können“, kommentiert Bioland-Vizepräsidentin Sabine Kabath.
Patentfrage weiter unbeantwortet
„Patente auf Pflanzeneigenschaften bedrohen das europäische Innovationsmodell in der Züchtung, denn solche Eigenschaften, wie etwa Resistenzen gegen Schädlinge, werden auch durch konventionelle Züchtung erzielt. Dass sie künftig patentiert werden könnten, ist schlicht ungerecht und führt zu großen Abhängigkeiten von den Patentinhabern. Das Patentrecht in der jetzigen Form schützt Landwirte und Züchter davor nicht – was sie schützt, sind einzig Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung, die bislang für alle Arten von Gentechnik gelten und nun für bestimmte Arten abgeschafft werden sollen. Wie wollen die EU-Abgeordneten das den europäischen Landwirten erklären?“, fragt die Bioland-Vizepräsidentin.
Ökolandbau bleibt gentechnikfrei
Bioland begrüßt, dass eine Mehrheit der Europaabgeordneten aller Fraktionen dafür gestimmt hat, das Verbot von Gentechnik aller Art in der ökologischen Produktion beizubehalten. „Woran es aber weiterhin fehlt, sind Koexistenzmaßnahmen, die über die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Mindesttransparenz von Neuer Gentechnik in Saatgutpartien hinausgehen“, so Kabath. Es sei wichtig, dass die Abgeordneten Änderungsanträge zum „freien Verkehr von NGTs“ abgelehnt haben, da dies zeige: eine klare Rechtsgrundlage, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, Koexistenzmaßnahmen zu ergreifen, um die Integrität der ökologischen und konventionellen GVO-freien Produktion zu schützen, ist möglich.
Die Europaabgeordneten halten bisher an ihrem Abstimmungskalender fest, nachdem die Abstimmung im EU-Parlament für den 5. Februar vorgesehen war. „Schnellschüsse müssen unbedingt vermieden werden, dafür ist das Thema viel zu heikel. Denn Gentechnik, egal ob alt oder neu, ist, einmal freigesetzt, nicht rückholbar“, betont Kabath. „Wir fordern aller EU-Parlamentarier dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass die Parlamentsabstimmung erst dann stattfindet, wenn grundlegende Fragen zu Koexistenz und Patenten geklärt sind!“
Quelle: BUND, Bioland
Veröffentlichungsdatum: 25.01.2024