NIQ-GfK: Mittelstädte bleiben auch 2024 die attraktivsten Einzelhandelsstandorte
Die Deutschen haben 2024 im Schnitt 6.770 Euro pro Kopf für Ausgaben im Einzelhandel zur Verfügung. Allerdings geben sie ihr Geld überwiegend nicht am Wohnort aus. Vor allem viele deutsche Mittelstädte haben eine starke Anziehungskraft auf ihr Umland und profitieren mit ihrem großen Handelsangebot von Kaufkraftzuflüssen. Dies zeigt die neue Studie zur GfK Einzelhandelszentralität 2024.
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Die Einzelhandelskaufkraft verteilt sich aber regional sehr unterschiedlich und variiert dieses Jahr von 8.689 Euro im Landkreis Starnberg bis 5.715 Euro im Stadtkreis Gelsenkirchen. Davon fließt jedoch nicht alles in den stationären Handel und vieles oft auch nicht in den Handel am Wohnort.
Ein Vergleich der Einzelhandelskaufkraft mit den regionalen Einzelhandelsumsätzen ergibt dabei die Einzelhandelszentralität, die die Anziehungskraft des regionalen Einzelhandels misst. Diese zeigt, welche Regionen dank Kaufkraftzuflüssen von überdurchschnittlichen stationären Einzelhandelsumsätzen profitieren und wo hingegen Kaufkraftabflüsse zu verzeichnen sind. Werte über 100 stehen für einen Kaufkraftzufluss, Werte unter 100 für einen Kaufkraftabfluss.
2024 gibt es insgesamt 187 deutsche Kreise mit Kaufkraftzufluss, während in 213 Kreisen ein Kaufkraftabfluss zu beobachten ist. Naturgemäß verzeichnen überwiegend Stadtkreise Kaufkraftzuflüsse, wo sich der Einzelhandel ballt und eine hohe Anziehungskraft auf das Umland hat.
Mittelstädte gewinnen weiterhin an Attraktivität
Auch 2024 führen vor allem Mittelstädte das Zentralitätsranking an. Spitzenreiter ist erneut Zweibrücken. Mit einer Einzelhandelszentralität von 230,4 konnte sich der Stadtkreis mit seiner Outlet City im Vergleich zum Vorjahr wieder deutlich steigern und seinen Vorsprung gegenüber dem zweitplatzierten Stadtkreis Straubing (202,5) ausbauen.
Die Stadtkreise Passau und Kaiserslautern tauschen die Ränge drei und vier, während Ansbach in diesem Jahr mit einer Einzelhandelszentralität von 173,0 neu in die Top 10 auf Platz sieben einsteigt. Trier und Hof verschlechtern sich 2024 um jeweils einen Rang, während Schweinfurt aus den Top 10 verdrängt wird.
Viele der Städte in den Top 10 fungieren dabei als Mittelzentren für das eher ländlich geprägte Umfeld dar, wo oft nur wenige und dünn gestreute Einzelhandelsangebote zu finden sind. Diese Mittelzentren haben also gemeinsam, dass sie ein großes Einzugsgebiet bedienen, in dem relativ viel Kaufkraft steckt. Dies führt dazu, dass die Kaufkraft aus dem ländlich geprägten Umland in die angrenzenden Versorgungszentren fließt, was zu einem deutlichen Kaufkraftüberschuss führt.
Diese Anziehungskraft wird auch beim letztplatzierten Kreis des Rankings deutlich. Mit einer Einzelhandelszentralität von 61,3 ist der Landkreis Straubing-Bogen das Schlusslicht unter allen 400 deutschen Stadt- und Landkreisen, während der Stadtkreis Straubing bundesweit auf dem zweiten Platz liegt.
Die ganz großen Städte sucht man im vorderen Feld hingegen vergeblich: Die bestplatzierte Millionenstadt ist Köln, das mit einer Einzelhandelszentralität von 111,8 auf Rang 85 liegt. Die Hauptstadt Berlin belegt mit einem Wert von 100,1 hingegen nur den 187. Rang.
Filip Vojtech, Einzelhandelsexperte im Bereich Geomarketing von NIQ-GfK, kommentiert: „Einzelhändler sollten bei der Expansionsplanung Standorte in Mittelstädten nicht unterschätzen, denn diese haben oft eine Reichweite, die die Zahl der Einwohner im direkten Stadtgebiet deutlich übertrifft. Schon seit vielen Jahren werden Mittelstädte immer attraktivere Einzelhandelsstandorte, während die größten deutschen Städte an Bedeutung verlieren. Köln verschlechtert sich im Vergleich zum Vorjahr beispielsweise um vier Ränge, während es in München und Hamburg sogar sieben sind. Noch härter trifft es aber Berlin: Die Hauptstadt rutscht 2024 im Zentralitätsranking ganze zwölf Plätze nach hinten.“
Insgesamt 476,7 Milliarden Euro fließen 2024 in den stationären Einzelhandel
Neben der „Sogwirkung“ einer Region ist jedoch auch ein Blick auf den Einzelhandelsumsatz in Summe zu empfehlen, denn dieser Wert zeigt, wo die Masse an Umsatzpotenzial zu finden ist. Naturgemäß liegen hier die einwohnerstärksten deutschen Kreise auf den vorderen Rängen. Im Ranking nach Gesamt-Einzelhandelsumsatz liegt Berlin deutlich auf dem ersten Platz: In der Hauptstadt fließen knapp 21 Mrd. Euro in den stationären Einzelhandel, was einen Anteil von 4,40 Prozent am gesamten Umsatz in Deutschland ausmacht. Auf den Rängen zwei und drei folgen Hamburg (2,56 Prozent) und München (2,39 Prozent).
Die Kreise in den Top 10 machen in Summe 16,69 Prozent des gesamten stationären Einzelhandelsumsatzes in Deutschland aus, womit auch hier der Anteil der umsatzstärksten Kreise von Jahr zu Jahr immer weiter schrumpft. Lediglich die Hauptstadt konnte mit einem Anteil von 4,40 Prozent am stationären Handels-Gesamtumsatz seinen Vorjahresanteil halten. Alle anderen Großstädte in den Top 10 haben Anteile verloren. Dennoch üben starke Einzelhandelsstandorte eine verstärkte Anziehungskraft auf die Konsumenten aus.
Ein Blick auf die rechnerischen Einzelhandelsumsätze pro Kopf zeigt, dass hier, wie auch bei der Einzelhandelszentralität, die Mittelstädte das Feld anführen. Diese haben Pro-Kopf-Werte, die bis zu mehr als dem Doppelten des Landesdurchschnitts von 5.650 Euro entsprechen. Den ersten Platz im Kreisranking nach Einzelhandelsumsatz je Einwohner belegt der Stadtkreis Zweibrücken, gefolgt von den Stadtkreisen Straubing und Passau. Schlusslicht ist wie in den Vorjahren der Landkreis Kaiserslautern mit einem Pro-Kopf-Umsatz von 3.096 Euro.
In Oberbayern sitzt das meiste Geld für Einkäufe im Einzelhandel
Für Händler und Hersteller ist es ebenso wichtig zu wissen, wo das Nachfragepotenzial sitzt, bevor dieses in den Einzelhandel fließt. Die Einzelhandelskaufkraft zeigt das durchschnittliche Ausgabepotenzial für den Einzelhandel am Wohnort der Menschen auf. Das Wissen um den Wohnort der Zielgruppe ermöglicht es beispielsweise, Filialen im Lebensmitteleinzelhandel wohnortnah und Werbekampagnen gezielt planen zu können.
Wie in den Vorjahren liegt der Landkreis Starnberg beim Kreisranking nach Einzelhandelskaufkraft auf dem ersten Platz. Mit 8.689 Euro pro Kopf haben die Starnberger über 28 Prozent mehr Geld für ihre Ausgaben im Einzelhandel zur Verfügung als der Durchschnittsdeutsche.
Auf den Rängen zwei und drei folgen der Land- und Stadtkreis München, wo die Menschen immer noch mindestens 21 Prozent mehr als der Bundesdurchschnitt im Handel ausgeben können. Den letzten Platz belegt erneut der Stadtkreis Gelsenkirchen: In der Großstadt im Ruhrgebiet stehen den Menschen durchschnittlich 5.715 Euro pro Kopf für ihre Ausgaben im Einzelhandel zur Verfügung. Damit liegen die Gelsenkirchener fast 16 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt.
Über die Studie
Die „Sogwirkung“ einer Stadt als Einkaufsort kann dadurch gemessen werden, dass man die Nachfrage der Einwohner am Wohnort (GfK Einzelhandelskaufkraft) den Umsätzen im Einzelhandel (GfK Einzelhandelsumsatz) gegenüberstellt. Daraus ergibt sich die GfK Einzelhandelszentralität. Eine Zentralität größer als 100 bedeutet einen Kaufkraftzufluss, unter 100 einen Kaufkraftabfluss.
Der GfK Einzelhandelsumsatz spiegelt die regionale Verteilung der stationären Einzelhandelsumsätze wider. Im Gegensatz zur GfK Kaufkraft, die am Wohnort des Konsumenten erhoben wird, wird der GfK Einzelhandelsumsatz am Standort des Einzelhandels gemessen.
Er ist definiert als Umsatz des Einzelhandels (ohne Kfz-Handel, Kraft- und Brennstoffe) abzüglich des Distanzhandels (eCommerce, Versandhandel). GfK berechnet den GfK Einzelhandelsumsatz jährlich. Er wird für jede regionale Ebene als Summe sowie pro Einwohner in Euro und als Index (deutscher Durchschnitt = 100) ausgewiesen. Die Berechnung erfolgt für alle deutschen Stadt- und Landkreise sowie für alle Gemeinden und Postleitzahlen mit einem Einzelhandelsumsatz von mindestens 1,5 Mio. Euro und mehr als drei Einzelhandelsbetrieben.
Für die Berechnung der Einzelhandelskaufkraft werden die Ausgaben für die Warengruppen Nahrungs- und Genussmittel, Kleidung und Schuhe, übrige Güter für die Haushaltsführung (u.a. Möbel, Bodenbeläge, Haushaltselektrogeräte, Heimtextilien, Gartenbedarfsartikel, Reinigungsmittel), Körper- und Gesundheitspflege, Bildung und Unterhaltung (z.B. TV, Radio, Bücher, Fotobedarf, Zeitschriften, Spielwaren, Sportartikel) sowie persönliche Ausstattung (Uhren, Schmuck, etc.) berücksichtigt.
Die regionalisierten Daten zur Einzelhandelszentralität liegen für viele europäische Länder vor und sind jeweils bis zur feinsten administrativen und postalischen Ebene als Prognose für das laufende Jahr verfügbar. Es handelt sich bei der Kaufkraft und den Umsatzdaten um nominale Angaben – d.h. ohne Berücksichtigung von Inflationsentwicklungen und regional verschiedenen Preisniveaus oder unterjährigen Wechselkurseffekten.
Mit der GfK Einzelhandelszentralität erhalten Einzelhändler eine objektive Messgröße dafür, welcher Region, welcher Stadt oder welcher Postleitzahl innerhalb einer Stadt es gelingt, mit dem vorhandenen Einzelhandelsangebot besonders viel Kaufkraft anzuziehen und zu binden. Sie ist somit für die Standortplanung und -bewertung unverzichtbar.
Die Einzelhandelszentralität sollte bei Expansionsentscheidungen jedoch im Zusammenhang mit den Einwohnerzahlen, dem GfK Einzelhandelsumsatz und der GfK Einzelhandelskaufkraft betrachtet werden. Alle drei Kennziffern sind standardmäßig in der Studie „GfK Einzelhandelszentralität“ enthalten.
Weitere Informationen zu den regionalen Marktdaten von NIQ-GfK finden Sie hier.
Quelle: NIQ-GfK
Veröffentlichungsdatum: 27.11.2024