39. Bruchsaler Erdbeertag digital: Was erwartet die Erdbeerbetriebe?
Umstellung auf Bio, biologisch abbaubare Folien, Arbeitskräfte, Sorten und Pflanzenschutz - wie sehen die Optionen für die Erdbeerbetrieb der Zukunft aus? Darüber informierten sich 229 Teilnehmer und Teilnehmerinnen beim digitalen Bruchsaler Erdbeertag am 9. Dezember 2020. Veranstalter waren das Landratsamt Karlsruhe, das Regierungspräsidium Karlsruhe und der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V.
Arianna. Foto © Wolfang Bauer/Landratsamt Karlsruhe
Umstellung auf ökologischen Anbau
Dr. Georg Eckert von der ABCERT AG in Esslingen stellte die Bedingungen für die Umstellung eines Sonderkulturbetriebs im Hinblick auf die neue EU-Öko-Verordnung vor: „Die Knackpunkte der Förderung liegen darin, dass man diese nur erhält, wenn man den ganzen Betrieb auf Öko umstellt.“ Der Substratanbau ist im Bioanbau ausgeschlossen. Die Förderungsbeträge liegen jährlich im Einführungszeitraum bei 935 €/ha und bei der Beibehaltung bei 550 €/ha sowie einem Kontrollzuschuss von 60 € bis maximal 600 € pro Betrieb. Die Umstellungszeit umfasst 24 Monate. Erst ab dem 25. Monat Pflanzung kann man die Erzeugnisse als Bioprodukte kennzeichnen. „Ein bisschen den Betrieb auf Öko umstellen geht nicht“, erklärte Dr. Eckert und betonte, dass nur fachlich gute und wirtschaftlich solide konventionelle Betriebe erfolgreiche Bio-Betriebe werden können.
Abbaubare Folien und Folien-Recycling
Laut Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung mbH (GVM) fallen jährlich 27.500 t zu entsorgende Folien für die Sonderkulturen in Deutschland an. Bioabbaubare Folien werden in Deutschland bislang nur bei Mulchfolien eingesetzt. und repräsentieren mit rund 1.500 t gut ein Viertel des Mulchfolienmarktes. Dr. Jürgen Bruder, Mitbegründer der ERDE Recycling, beziffert den Anteil von bioabbaubaren Folien im gesamten Sonderkulturanbau bei 7,7 % - Tendenz steigend und bekräftigt: „Die Vorteile der bioabbaubaren Folien liegen in den Kosteneinsparungen beim Abräumen, der wegfallenden Entsorgung sowie dem Ausbleiben von Mikroplastik-Einträgen im Boden. Der Trend geht zu bioabbaubaren Mulchfolien, die bald ca. 30 % Marktanteil erreichen.“ Ihr Nachteil ist der um den Faktor 1,5-2 höhere Preis pro Quadratmeter. Da die Nebenkosten für den Einsatz von PE-Mulchfolie weiter steigen, wird ihr Kostenvorteil gegenüber bioabbaubarer Folie jedoch immer geringer. Bei der Bioabbaubarkeit spielen technische und umweltbezogene Faktoren eine Rolle. Gemäß der 2018 veröffentlichten Norm EN17033 müssen bei bioabbaubaren Folien 90 % des Kohlenstoffs innerhalb von zwei Jahren in CO2 umgewandelt sein. PE-Mulchfolie ist arbeitsintensiv und macht durch die starke Anhaftung von Mineralik Probleme beim Recyceln. Dazu kommt, dass je dünner die PE-Folie, desto größer ist die Gefahr, dass abgerissene Plastikrückstände im Boden bleiben.
Lycia. Foto © Wolfang Bauer/Landratsamt Karlsruhe
Versuch zur Haltbarkeit bioabbaubaren Folien
In einem Versuch zur Haltbarkeit von Folien für den Erdbeeranbau auf Dämmen hat das Landratsamt Karlsruhe, Landwirtschaftsamt Bruchsal, eine Polyethylen-Folie (PE) mit 50 µm als Kontrolle im Vergleich mit den abbaubaren Folien, Bio-Agri mit 30 µm, die Mater-Bi mit 25 µm und die Bio-Agri mit 20 µm verglichen. Die PE-Folie war auch bei Schäden durch Krähen stabil. Die beste Stabilität der biologisch abbaubaren Folien hatte die Bio-Agri 30 µm, wobei sie im Oktober 2020, nach 16 Monaten, nur vereinzelt Löcher bis 1 cm aufwies, und Fragen nach dem Abbaubeginn aufkommen ließ. Die Bio-Agri mit 20 µm und Mater-Bi eignen sich aufgrund ihrer Haltbarkeitskürze nicht für den Erdbeeranbau. Bei den bioabbaubaren Folien war die Pflanzenentwicklung im Vergleich zur PE-Standard-Folie schwacher. In Diffusionstests zeigte sich, dass bei der PE-Folie wenig Wasser diffundiert. Im Vergleich zur PE-Folie wiesen die bioabbaubaren Folien einen um 8 % - 18 % höheren Wasserverlust auf. Beim Einsatz bioabbaubarer Folien sind folglich höhere Wassergaben bei der Tropfbewässerung beziehungsweise Fertigation zu berücksichtigen.
Saisonarbeit unter Corona-Bedingungen 2021
Zu aktuellen und zu erwartenden Rahmenbedingungen der Saisonarbeit referierte Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V.: Saisonarbeitskräfte sollten sich vor der Einreise auf dem Portal www.einreiseanmeldung.de registrieren. Bei Ankunft stehen entweder eine zehntägige Quarantäne, frühestens nach fünf Tagen durch einen Corona-Test mit negativem Ergebnis aufhebbar, oder bei mehrwöchiger Arbeitsaufnahme (mindestens drei Wochen) eine zehntägige Arbeitsquarantäne, wenn gruppenbezogene Hygienemaßnahme mit Anzeige beim Gesundheitsamt erfolgen. In beiden Fällen sind die Arbeitnehmer vor Arbeitsbeginn dem Gesundheitsamt durch den Arbeitgeber zu melden. Bayern und Baden-Württemberg gehen durch einen separaten Erlass beziehungsweise eine Verordnung für Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft Sonderwege.
Sandra. Foto © Wolfang Bauer/Landratsamt Karlsruhe
Die Corona-Verordnung zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg legt unter anderem Folgendes fest: neben der 1,5 m Abstandsregelung ist eine Mund-Nasen-Bedeckung in geschlossenen Räumen auf der Betriebsstätte (mit Ausnahme in den Unterkünften) zu tragen. Bei der gleichzeitigen Beschäftigung von über zehn Saisonarbeitskräften ist vor Arbeitsaufnahme ein Corona-Test verpflichtend. Die Kostenübernahme der Tests liegt beim Arbeitgeber. Daten der Saisonarbeitskräfte zur An-, Weiter- und Abreise sind zu dokumentieren, und ein Hygienekonzept muss vorliegen und die Covid 19-Arbeitsschutzregeln umgesetzt werden.
Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel hat bindenden Charakter erhalten, indem zu Beispiel in Rheinland-Pfalz die Vorgaben der Berufsgenossenschaft explizit in der Verordnung genannt wird. Sie begrenzt die Arbeitsteams auf maximal vier Personen (siehe § 21 Gruppenbezogene Maßnahmen). Wichtigster Inhalt der Arbeitsschutzregel lautet "ZWZA – zusammenwohnen – zusammenarbeiten“. „Das ist richtig und sinnvoll, nach unserer Auffassung sollte jedoch die Gruppengröße auf eine sinnvolle betriebsindividuelle Anzahl anpassbar sein“, betonte Schumacher. Auch erläuterte er, dass die Anmerkung „Anzustreben ist die Unterbringung im Einzelzimmer, wo möglich“ konkretisiert oder einfach gestrichen werden sollte. Die SVLFG habe das nochmals konkretisiert: Für die Unterbringung gelten im Schlafbereich 6 m2 pro Person bei bis zu 6 Personen und 6,75 m2 bei bis zu 8 Personen. Bei unterschiedlichen Teams in der Unterbringung ist nur eine halbe Belegung möglich. Etagenbetten können nur bei Familien doppelstöckig genutzt werden. Quarantäne-Quartiere müssen vorhanden sein und die Hygieneregeln in der Landessprache ausgehängt sein.
§ 56 des Infektionsschutzgesetzes sieht eine Entschädigung für den Verdienstausfall im Quarantänefall vor. Der VSSE hat für Baden-Württemberg angestoßen, dass dieser Anspruch auch für Saisonarbeitskräfte gilt, auch wenn keine Vorbeschäftigung vorliegt. Der Antrag muss online (https://ifsg-online.de/index.html) gestellt werden, als Bezugsgröße gelten zwei Gehaltsbescheinigungen oder der Arbeitsvertrag, in Baden-Württemberg können Saisonarbeitskräfte auch zwei Folgemonate angeben. Der VSSE setzt sich dafür ein, dass letzteres auch in anderen Bundesländern als Bezugsgröße anerkannt wird.
Erntehelferverfügbarkeit 2021
Für die kommende Saison sollten Betriebsleiter/innen frühzeitig den Bedarf an Saisonarbeitskräften abklären, betont Schumacher. Die Westbalkan-Regelung ist bis 2023 verlängert, aber auf ein Kontingent von 25.000 Personen pro Jahr begrenzt. Wegen eines Verdachts auf Betrugsfälle (gefälschten Studienbescheinigungen) bewilligt die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) Studierenden aus der Ukraine die Ferienbeschäftigung nur noch in den Semesterferien von Ende Juni bis August und im Dezember. Bilaterale Abkommen stagnieren gerade unter anderem Corona bedingt. Das Pilotprojekt mit Georgien wird 2021 relevant, umfasst aber nur 400 Personen. Für das Frühjahr geht Schumacher von der Einreise auf dem Landweg aus. Der Anstieg der Arbeitslosenquote seit Pandemie-Beginn in Rumänien und Polen wird sich voraussichtlich positiv auf die Erntehelferverfügbarkeit auswirken, wobei die Saisonarbeitskräfte auch Angst davor haben, sich in Deutschland anzustecken.
Neue Erdbeersorten für die Verfrühung
Über die Ergebnisse der Versuchsanlage auf dem Augustenberg zu neuen Erdbeersorten für die Verfrühung berichtete Wolfgang Bauer vom Landratsamt Karlsruhe. Es wurden vor allem Frigopflanzen und Multitopfpflanzen auf hohen Dämmen mit Fertigation im Haygrove-Tunnel gepflanzt.
'Clery' schnitt mit knapp 800 g Erdbeeren pro Pflanze sehr gut ab. 'Sandra' war früher reif als 'Clery', hat glänzende, längliche Beeren mit intensivem, süßem Geschmack, brachte aber nur 40 % des Ertrags von 'Clery'. Die kräftige Erdbeerpflanze 'Dahli' hatte glänzende, gleichförmige Beeren mit gutem Aroma, war kurz nach 'Clery' reif, brachte aber nur 60 % deren Ertrags. 'Arianna' ähnelt 'Clery' in Aroma sowie Ertrag und zeichnet sich durch relativ große Beeren aus. Die herzförmige 'Rendezvous' hat eine optimale Form, ein gutes Aroma und bringt beinahe so viel Ertrag wie 'Clery'. Doch muss sie sich laut Bauer noch in der Fruchtstabilität bewähren. 'Magnum' mit gleichförmigen Beeren in kräftigem Rot, guter Festigkeit und gutem Aroma schnitt durch die eher kleine Sortierung und ihren Ertrag enttäuschend ab. Ein kräftiges Rot, wenig Ausfall und eine gute Festigkeit sowie große Kelchblätter wies 'Verdi' (ehemals 'FE 1711') auf. Ihr Ertrag lag bei 60 % von 'Clery'. Durch eine zu späte Pflanzung brachte 'Lycia' relativ wenig Ertrag. Ihre Beeren sind süß – manchem Tester zu intensiv – schlank, glänzend und hell. Bei ihr waren nur wenige Beeren klein. Ein hohes Ertragspotenzial, aber für die Verfrühung zu spät reifend zeigte 'Lola' mit gleichförmigen, kleineren Beeren und mittlerem Aroma. Die remontierende Sorte 'Murano' wurde nur während der Haupternte gepflückt. Sie hatte ein gutes Nachernteverhalten, mittleren Ertrag, große Beeren und für eine remontierende Sorte guten Geschmack, ist aber anfällig für Mehltau.
Bei der Verkostung nach Optik, Geschmack und Bissfestigkeit am 22. April 2020 war 'Sandra' Spitzenreiter, 'Dahli' und 'Verdi' lagen im guten Mittelfeld. Bei der Verkostung am 4. Mai 2020, verloren 'Verdi' und 'Dahli' etwas, lagen aber immer noch im Mittelfeld, und 'Rendezvous' im guten Mittelfeld. Gewinnerin war 'Lycia'. Nach Bauer gilt das obere Mittelfeld für viele der Sorten. Beim optischen Vergleich am 27. April 2020 sind 'Rendezvous', 'Murano', 'Lycia' und 'Lola' hell geblieben. Bauer zog folgendes Fazit zu den Frühsorten: „'Clery' hat sich aufgrund von Ertrag, Frühzeitigkeit und Gesundheit in diesem Jahr erneut bewährt. 'Arianna' und 'Rendezvous' zeigten beide ähnlich hohe Erträge und Frühzeitigkeit wie 'Clery', hatten aber insgesamt einen zu geringen Ertrag. Die remontierende Sorte 'Murano' kann in der Haupterntezeit bezüglich Fruchtgröße und Fruchtstabilität, aber nicht geschmacklich, eine Alternative sein.“
Ab 2021 wird das Landratsamt Karlsruhe die Produktion der Erdbeeren in Stellagen verlegen, um die Erdbeersorten besser vergleichen und unabhängiger von der Bodenmüdigkeit zu sein.
Aktuelle Zulassungssituation, Pflanzenschutzergebnisse und Empfehlungen für den Erdbeeranbau
Arno Fried, Leiter der Sonderkulturgruppe am Landwirtschaftsamt Karlsruhe, gab einen Überblick über die Zulassungssituation bei den Pflanzenschutzmitteln. Zur Situation der Herbizide meinte Fried: „Bei einigen im Erdbeeranbau einsetzbaren Herbiziden endet die Zulassung Ende 2021, einige Hersteller haben aber bereits eine Verlängerung angekündigt. Das zu erwartende Verbot vom Wirkstoff Phenmedipham wird vor allem die Erdbeervermehrer hart treffen.“
Im Versuch zur Erdbeermehltauregulierung 2020 war der Befall von ‚Lambada‘ sehr hoch. Unter den herkömmlichen Fungiziden wirkte Topas etwas schlechter als in anderen Versuchen die Jahre zuvor, was eventuell auf eine Resistenzentwicklung hindeuten könnte. Nimrod EC, überraschenderweise wieder zugelassen, hatte eine gute Wirkung, und Dagonis war sehr leistungsstark. Die Schwefelprodukte Heliosufre und Kumulus WG zeigten eine ganz gute Wirkung, durch die höhere Schwefelkonzentration pro ha in der Anwendung schnitt Kumulus WG aber etwas besser als Heliosufre ab. Kumar und Vitisan + Wetcit wirkten bei Mehltau den Erdbeeren recht schlecht. Die drei im Versuch getesteten, neuen biologischen Produkte werden bei Mehltau anfälligen Sorten aufgrund mangelnder Wirksamkeit im Freiland nicht empfohlen. Fried betonte: „Man muss noch mehr auf die Mehltauanfälligkeit der Erdbeersorten achten. Eine Bekämpfung ist nur vorbeugend möglich. Ein Wirkstoffwechsel, der Einsatz unterschiedlicher Produkte und die Beachtung der Wirkstoffgruppen sind wichtig, um Resistenzen zu vermeiden.“
Im Freiland empfiehlt Fried bei starkem Botrytisbefall die Spritzfolge Score - Switch - Kenja + Flint - Switch. Bei stark mehltauanfälligen Erdbeersorten die Spritzfolge Score - Switch - Switch - Luna Sensation oder Dagonis. Eine große Bedeutung misst Fried dem Movento SC 100 bei, da es in der frühen Ausbringung gegen Blattläuse und die Gemeine Spinnmilbe wirkt. Außerdem wurden bei Movento bisher keine Rückstände festgestellt, wenn die Behandlung mind. 40, besser 50 Tage vor der Ernte eingesetzt wurde. Im Tunnel empfiehlt Fried gegen Mehltau zwei Behandlungen mit Switch, um die Erträge abzusichern. Wenn Mehltau früh eintritt, sollte man Flint in der ersten Behandlung einsetzen. Bei sehr anfälligen Sorten ist ein Anbau im Tunnel oder Gewächshaus sehr schwierig. Mit einer erfolgreichen biologische Spritzfolge tat sich Fried schwer: Schwefel und Kumar sollte man auf alle Fälle wegen Mehltau einbinden.
Auch im Tunnel kann man Movento SC 100 einsetzen, muss das aber frühzeitig tun, um die 14 Tage vor der Blüte einhalten zu können. Die Pflanze nimmt Movento in sich auf und kann so auch im Nachgang auf Spinnmilben wirken. Die beste Behandlung gegen Fruchtfäule im Tunnel ist laut Fried Lüften. Für die weitere Entwicklung klassischer Pflanzenschutzmittel im Pflanzenschutz prognostiziert Fried schlechte Aussichten: „Die Firmen bauen hier ihre Kapazitäten eher ab. Es gibt einige neue biologische Produkte, die nur selten an die Wirksamkeit von chemisch-synthetischen Produkten heranreichen. Nur für sehr große Kulturen, wie z.B. Mais, Reis, Soja werden weiter neue Wirkstoffe entwickelt. Es werden sich für Sonderkulturen immer mehr Lücken im Pflanzenschutz auftun.“
www.vsse.de
Quelle: Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V.
Veröffentlichungsdatum: 18.12.2020