Landwirte vom Bodensee demonstrieren in Berlin gegen geplantes Insektenschutzpaket
Am Montag machten sich auch vom Bodensee zahlreiche Landwirte auf den Weg nach Berlin, um mit Berufskollegen aus ganz Deutschland gegen das geplante Insektenschutzpaket der Bundesregierung zu demonstrieren. Sogar mit einem LKW werden Obstbauschlepper nach Berlin verfrachtet, um bei den Protesten auf die existenzbedrohende Lage durch dieses Gesetzespaket aufmerksam zu machen.
Foto ©Bernhard Fuchs
Warum demonstrieren die Bauern vom Bodensee?
Die Verhandlungen der Bundesregierung zur Umsetzung des Aktionsprogramms Insektenschutz sind in der Schlussphase. Das zur Verabschiedung anstehende Gesetzespaket aus Insektenschutzgesetz und Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung beinhaltet weitreichende negative Konsequenzen für die Erzeugung heimischer Produkte und die Existenz zahlreicher landwirtschaftlicher Betreibe in Deutschland.
Um auf die große Gefahr für die landwirtschaftlichen Betriebe hinzuweisen und unsere berufsständischen Interessensvertreter zu unterstützen, demonstrieren wir am 08. Und 09.02. in Berlin und vor Ort.
Wir fordern diese Gesetzesinitiative zu stoppen und neu aufzuarbeiten. Im Interesse der Landwirtschaft, des Insektenschutzes und der Versorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln.
Warum ist dieses Insektenschutzpaket nicht gut für Insekten, für die Landwirte und für die Bevölkerung?
Ausdrücklich erkennen wir die Verantwortung der Landwirtschaft als einen wichtigen gesellschaftlichen Teil bei der Förderung der Insektenvielfalt und dem Naturschutz an. Ein effektiver Insektenschutz mit geeigneten und erfolgreichen Maßnahmen liegt im eigenen Interesse der Landwirte.
Die derzeitigen Pläne zur Umsetzung des Aktionsprogramms Insektenschutz in Form des Insektenschutzgesetzes und der geänderten Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung werden diesem Anspruch jedoch nicht gerecht und verfehlen das Ziel des wirksamen Insektenschutzes.
Es entstehen große Belastungen für landwirtschaftliche Betriebe. Die Erträge und Produktionsflächen sind gefährdet, und die Produktion von Tafelobst wird teurer. Gleichzeitig wird die Verteuerung der Produktion nach Bewertung der gesetzgebenden Ministerien nicht durch einen höheren Marktpreis ausgeglichen. Damit drohen einerseits Ertragsausfälle und andererseits hohe zusätzliche Kosten für die Betriebe, die damit in ihrer Existenz bedroht sind.
Die bewährte Möglichkeit des kooperativen Naturschutzes wird an einigen Punkten stark eingeschränkt. Darunter leidet auch die Förderfähigkeit vieler Maßnahmen, welche Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Anreizsystem und die Vereinbarkeit von Naturschutzleistungen und wirtschaftlichen Handels der Landwirte ist.
Die Folgen:
• Verlust an Produktionsfläche, neue Einschränkungen und Kostenbelastungen für Landwirte, ohne dass dies dem Insektenschutz nützt.
• Die wirtschaftlich prekäre Situation auf den Höfen spitzt sich weiter zu. Der Strukturwandel wird beschleunigt.
• Die Versorgung der Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln insbesondere Obst ist gefährdet. (Selbstversorgungsgrad bei Obst in Dt. aktuell gerade einmal rund 20 %)
• Zunehmende Verlagerung der Lebensmittelproduktion ins Ausland, wo diese Standards nicht gelten. Abhängigkeit von Importen. Gefährdung der Lebensmittelversorgung in Krisenzeiten.
• Die wertvolle Kulturlandschaft in unserer Region am Bodensee droht verloren zu gehen
Was sind die kritischen Kernpunkte des geplanten Gesetzesvorhabens?
Vorgesehen sind pauschale Bewirtschaftungseinschränkungen ohne Folgeabschätzungen und ohne zu erwartenden Nutzen. Es werden neue Biotoptypen (Streuobstwiesen, artenreiches Grünland u.a.) ausgewiesen. Dort sowie in FFH-Gebieten soll der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden untersagt werden.
Es soll ein pauschaler Gewässerrandstreifen festgeschrieben werden, in welchem kein Pflanzenschutz mehr möglich ist, anstatt hier auf die fachliche Bewertung und die Anwendungsbestimmungen im Zulassungsprozess zu vertrauen.
Insgesamt sind von diesen Einschränkungen mindestens 1,2 Mio. Hektar (7 % der landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands) betroffen. Auf diesen Flächen wird nicht nur die Bewirtschaftung stark eingeschränkt, auch verlieren die Flächen deutlich an Wert. Dies gleicht einer Enteignung, ohne Entschädigung und ohne dass ein Mehrwert für den Insektenschutz zu erwarten ist.
Weiterhin soll der Einsatz von Glyphosat unabhängig von der fachlichen Bewertung und davon, ob es ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, deutlich eingeschränkt werden. Insbesondere im Erwerbsobstbau führt dies zu einer starken Verteuerung der Produktion sowie zu erwartenden negativen Auswirkungen auf das Bodenleben, bodenlebende Insekten und die CO2-bilanz.
Die Einschränkungen der Bewirtschaftung führt auch zu geringerer Wettbewerbsfähigkeit in Europa und weltweit und folglich zu geringerer Produktion bzw. Aufgabe von Betrieben sowie zunehmendem Strukturwandel im Inland und vermehrten Importen aus dem Ausland, wo es derartige Vorgaben nicht gibt.
Beispiel: Biodiversitäts- und Insektenschutzinitiative der Obstbauern am Bodensee:
Die Obstbauern vom Bodensee zeigen seit vielen Jahren, dass eine bienen- und insektenfreundliche Landwirtschaft am Bodensee bereits Praxis ist. Sie sorgen für ein reichhaltiges Nahrungsangebot, zahlreiche Rückzugsgebiete und charakteristische Habitate. Sie legen hektarweise Blühflächen an, pflegen unzählige Hecken und Sträucher und stellen tausende hochwertige Nisthilfen für beispielsweise Insekten, Vögel, Fledermäuse oder Mauswiesel auf. Mehrere Untersuchungen auf den Anbauflächen belegen große Erfolge bei der Förderung verschiedenster Arten.
Im Rahmen eines Projekts wurden drei Monitorings von unabhängigen Wildbienen-Experten durchgeführt. Seit 2010 nehmen die Wildbienennisthilfen, Bodennistplätze, Blühflächen und Gehölzpflanzungen von Obstbetrieben stetig zu. Die Wissenschaftler bestätigten eine deutliche Zunahme der Wildbienenarten seit 2010 sowie eine aktive Förderung der bedrohten und gefährdeten Arten, wie der Bärtigen Sandbiene oder der Rötlichen Kegelbiene. Auch wurde der Nachweis der landesweit stark gefährdeten Schwarzblauen Sandbiene als regionale Besonderheit eingestuft.
- 2010: 56 Wildbienen-Arten, mit fünf landesweit bedrohten oder gefährdeten Arten (Vorwarnliste)
- 2013: 84 Wildbienen-Arten, mit 8 landesweit bedrohten oder gefährdeten Arten
- 2017: 117 Wildbienenarten, mit 25 landesweit bedrohten oder gefährdeten Arten.
Ausgezeichnet wurde das Engagement zur Förderung der Wildbienen am Bodensee im Dezember 2019 mit dem European Bee Award durch die European Landowners’ Organization.
Für die Niederstamm-Obstanlagen des integrierten Obstanbaus, welcher in der kleinstrukturierten Bodenseeregion über 85 Prozent der rund 9000 Hektar Anbaufläche von etwa 1000 Betrieben ausmacht, konnte der oftmals beklagte Rückgang der Wildbienen eindeutig widerlegt und das Gegenteil nachgewiesen werden. Durch die zahlreichen Maßnahmen leisten die nach Grundsätzen der Integrierten Produktion bewirtschafteten Obstanlagen in der Bodenseeregion bereits heute nachweislich einen wichtigen Beitrag zum Arten- und Umweltschutz. Dies geschieht freiwillig und im Einklang mit dem im Vordergrund stehenden Tafelobstanbau für die Versorgung des heimischen Marktes mit frischem Obst vom Bodensee.
Diese und andere erfolgreiche Initiativen sind durch das neue Gesetz in Gefahr.
Es ist ebenso wahr wie absurd: Das neue Gesetz bedroht die Insekten und die Artenvielfalt im Obstbau.
Das fordern wir von der Bundesregierung:
- Sofortiger Stopp der Gesetzesinitiative und Entwicklung fachlich zielführender Strukturen zur Förderung der heimischen Landwirtschaft und des Insektenschutzes.
- Sinnvolle Maßnahmen müssen standortangepasst sein, gemeinsam fachlich erarbeitet werden und auf Freiwilligkeit mit Anreizen beruhen.
- Für effektiven Insektenschutz müssen Schutzmaßnahmen und wirtschaftliche Interessen der Landwirte in Einklang gebracht werden. Das ist kein Gegensatz.
- Es muss eine ausreichende Ausgangserhebung und darauf basierend eine Folgenabschätzung der Maßnahmen vorgenommen werden.
- Pauschale Regelungen sind nicht zielführend.
- Gesetzesregelungen der Länder dürfen nicht übertroffen werden. Regionale Anpassungen aufgrund von Struktur und Landschaft müssen möglich sein.
Dieses Gesetzesvorhaben schadet der heimischen Landwirtschaft sehr stark und nützt dem Insektenschutz nicht!
Quelle: Obstregion Bodensee e. V., Arbeitsgemeinschaft der Erzeugerorganisationen und Obstbauvereine am Bodensee
Veröffentlichungsdatum: 10.02.2021