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Schweiz: Lebensmittelverpackungen im Spannungsfeld zwischen Schutz und Umweltbelastung

11. März 2024

Artikelserie «Verpackungs(wahn)sinn» – Teil 2: Lebensmittelverpackungen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Sie bewahren die Qualität und Sicherheit unserer Nahrung, bieten Komfort und sind ein wesentliches Element der modernen Lebensmittellogistik. Doch ihre Herstellung, Nutzung und Entsorgung werfen wichtige Fragen bezüglich der Umweltbelastungen auf.

Die Debatte um Lebensmittelverpackungen, insbesondere aus Kunststoff, und deren Beitrag zur Umweltverschmutzung ist komplex und vielschichtig. Denn Verpackungsmaterialien verursachen entlang ihrer gesamten Prozesskette – von der Herstellung über die Distribution bis hin zur Entsorgung – Umweltbelastungen, können aber auch Umweltbelastungen vorbeugen und vermeiden.

Umweltauswirkungen von der Herstellung bis zur Entsorgung

Die Umweltauswirkungen von Verpackungen, insbesondere bei Lebensmittelverpackungen, werden von deren verschiedenen Lebenszyklusphasen beeinflusst. Bei den meisten Verpackungen, insbesondere bei Lebensmittelverpackungen, verursache die Herstellung über den gesamten Lebensweg betrachtet am meisten Umweltwirkungen, erklärt das Bundesamt für Umwelt BAFU auf Anfrage. «Die Herstellungsphase umfasst neben der Produktion auch die Gewinnung der Rohstoffe – hier entsteht zum Teil eine hohe Umweltbelastung durch den Abbau der benötigten Rohstoffe wie Erze oder Erdöl sowie durch den Holzschlag», erklärt Dorine Kouyoumdjian, Informationsbeauftragte des BAFU. Darüber hinaus erfordert die Produktion von Verpackungen teilweise einen hohen Energiebedarf, was weitere Umweltwirkungen nach sich zieht.

Im Gegensatz dazu wird die Entsorgungsphase, insbesondere in Regionen mit einem gut etablierten und funktionierenden Abfallwirtschaftssystem, wie es in Mitteleuropa der Fall ist, als vergleichsweise umweltfreundlich angesehen: «Die bei der Verbrennung entstehenden Schadstoffemissionen werden grösstenteils aufgefangen und neutralisiert und die enthaltene Energie wird zurückgewonnen – die Rohstoffe gehen dabei aber für die Weiternutzung verloren», erläutert Dorine Kouyoumdjian.

Notwendigkeit versus Umweltbelastung

«Es gilt auch festzuhalten, dass Verpackungen in den meisten Anwendungen – abgesehen von Luxusgütern – nicht zum Selbstzweck eingesetzt werden und mehrere Aufgaben zu erfüllen haben», führt Dorine Kouyoumdjian vom BAFU weiter aus. Sie leisten essenzielle Aufgaben, wie den Schutz des Inhalts vor Verderb und Beschädigung oder auch eine Transport- und Informationsfunktion. Trotz der Umweltbelastungen durch die Verpackungen, sei der grösste Teil der Umweltwirkungen auf das Produkt selbst zurückzuführen, so das Bundesamt: «Rund 90 bis 95 Prozent – in Ausnahmefällen 70 Prozent – der gesamten Umweltwirkungen eines Produktes mit Verpackung werden durch das Produkt verursacht und lediglich 5 bis 10 Prozent – in Ausnahmefällen 30 Prozent – sind auf die Verpackung zurückzuführen», erklärt Dorine Kouyoumdjian. Zur Vermeidung von Umweltwirkungen sei daher die Priorität, dass das Produkt nicht zu früh verdirbt oder beschädigt werde.

Zwischen Ökologie und Effizienz

Es gibt also ein Paradoxon zwischen dem Beitrag von Lebensmittelverpackungen sowohl zur Umweltverschmutzung als auch zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung. Entscheidend sei die gesamte Umweltbilanz von Produkt und Verpackung zusammen, meint das BAFU, weshalb für das Bundesamt immer das Gesamtsystem des Produkts inklusive Verpackung im Fokus stehe. «Wenn Verpackungen dazu beitragen, Lebensmittelverluste zu reduzieren, kann dies die Verwendung von Verpackungen rechtfertigen, da die Umweltbelastung durch Lebensmittelverluste sehr hoch ist – insbesondere Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr angebaut, verarbeitet und transportiert wurden und danach nicht von Menschen gegessen werden», erläutert Dorine Kouyoumdjian vom BAFU. Dies gelte insbesondere für Lebensmittel, welche bei der Herstellung eine hohe Umweltbelastung generierten, wie zum Beispiel Kaffee oder tierische Produkte.

Zugleich hebt das BAFU hervor, dass bei der Gestaltung und Verwendung von Verpackungen ein Gleichgewicht zwischen der Erfüllung essenzieller Funktionen wie Schutz, Transport und Information und der Minimierung ihres ökologischen Fussabdrucks gefunden werden müsse. «Auf Überverpackungen und unnötige Verpackungen wie beispielsweise Verpackungen, die nur Marketingzwecken dienen, sollte verzichtet werden», so das BAFU. Zudem wird der Ausbau von Mehrwegverpackungssystemen, beispielsweise in der Take-Away-Gastronomie, als Möglichkeit gesehen, Verpackungsmaterialien einzusparen und den Trade-off zwischen der Notwendigkeit von Verpackungen zur Lebensmittelsicherheit und dem ökologischen Fussabdruck zu verbessern.

Strategien zur Minimierung der Umweltbelastung

Eine Schlüsselstrategie zur Reduktion der Umweltbelastungen durch Lebensmittelverpackungen ist laut BAFU darum grundsätzlich die Minimierung des Einsatzes von Verpackungsmaterialien auf das absolut Notwendige, um die grundlegenden Funktionen der Verpackung zu gewährleisten. «Diese Umweltbelastung kann primär reduziert werden, indem Verpackungsmaterialien eingespart werden», erklärt Dorine Kouyoumdjian. Darüber hinaus können die Umweltauswirkungen durch die Gestaltung wiederverwendbarer oder recycelbarer Verpackungen, die wiederum einen hohen Anteil an recyceltem Material enthalten, verringert werden. Die effizienten Abfallentsorgungs- und Recyclingsysteme der Schweiz würden weiter dazu beitragen, Verpackungsmaterialien umweltgerecht zu entsorgen und somit die Umweltbelastung zu minimieren, so das BAFU.

So sind Recycling und Kreislaufwirtschaft zentrale Elemente in der Strategie zur Reduzierung der Umweltauswirkungen von Lebensmittelverpackungen. Ein effektives Recyclingsystem ermöglicht, dass Lebensmittelverpackungen am Ende ihrer Nutzungsdauer einer zweiten Verwendung zugeführt werden können, stellt das BAFU klar. «Bei Lebensmitteln sind aber die gesundheitstechnischen Anforderungen an eine Wiederverwendung der Verpackungsmaterialien besonders hoch – aus diesem Grund werden ausser bei Getränken Lebensmittelverpackungen in der Schweiz grösstenteils noch nicht separat gesammelt und der Verwertung zugeführt», räumt Dorine Kouyoumdjian vom BAFU ein. Die Mehrheit der Lebensmittelverpackungen wird so zusammen mit dem Haushaltsabfall gesammelt und verbrannt, wobei immerhin die darin enthaltene graue Energie zurückgewonnen wird.

Zwischen Downcycling und Kreislaufschliessung

Eine Ausnahme bildeten Verpackungen aus Metall wie Aluminium und Stahlblech sowie Sekundärverpackungen aus Karton. «Die separat gesammelten und rezyklierten Verpackungen können aber als Rohstoff meistens nur noch in einem anderen, weniger anspruchsvollen Bereich wieder eingesetzt werden, beispielsweise in Bauprodukten», erklärt Dorine Kouyoumdjian. Die Schliessung des Kreislaufs sei oft nicht möglich. «Aber auch ein Downcycling kann gerade im Lebensmittelbereich aus Umweltsicht Sinn machen und ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen», ergänzt sie. Um die Umweltauswirkungen effektiv zu reduzieren und den Kreislauf bei der Entsorgung zu schliessen, ist es essenziell, dass bereits bei der Entwicklung der Verpackung die Wiederverwendung und Entsorgung berücksichtigt werden. So betont das BAFU die Bedeutung des Kreislaufdenkens und der Lösungen zur Weiternutzung von rezyklierten Sekundärmaterialien.

Durch umweltpolitische Vorgaben wie beispielsweise dem Ziel der Netto-Null der Treibhausgasemissionen bis 2050 würden Unternehmen zudem angeregt, Massnahmen zur Reduzierung ihrer Umweltbelastung zu ergreifen. «Die Vorgabe von Zielen in Gesetzen und Verordnungen durch die Umweltpolitik in der Schweiz oder auf internationaler Ebene führen dazu, dass alle Massnahmen zum Erreichen dieser Ziele entwickeln und umsetzen – auch Kundinnen und Kunden können durch die Nachfrage ökologischer Produkte und ökologischer Verpackungen einen Anreiz für neue Lösungen sein», so Dorine Kouyoumdjian.

So ist der Umgang mit Lebensmittelverpackungen ein komplexes Feld mit vielfältigen Herausforderungen und Chancen: Eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Schutz der Lebensmittel, der Minimierung von Verpackungsmaterialien und der Förderung von Recycling und Kreislaufwirtschaft ist entscheidend, um die Umweltauswirkungen effektiv zu reduzieren. Der Weg zu nachhaltigeren Verpackungslösungen erfordert die Zusammenarbeit aller Beteiligten – von den Herstellern über die Konsumenten bis hin zu den politischen Entscheidungsträgern.
 

Quelle: LID.ch

Veröffentlichungsdatum: 11.03.2024

Schlagwörter

Schweiz, Lebensmittelverpackungen, Spannungsfeld, Schutz und Umweltbelastung