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Facebook – Shitstorm09. September 2019

Eine mittelgroße österreichische Handelskette hat in den letzten Tagen einen Shitstorm auf Facebook erlebt.

Zur Vorgeschichte. Die Öffentlichkeit wurde vor etwa zwei Monaten von den Produzentenvertretern informiert, dass für diese Zeit unüblich viele Äpfel in den Lagern liegen.

Viele haben verinnerlicht, dass der Abverkauf der noch lagernden Äpfel eine Herausforderung wird und zu Lasten der Bauern geht.

Jetzt, mitten in der Ernte von Gala, versendet die oben zitierte Handelskette ein Flugblatt,  in dem Gala ungarischer Herkunft zu einem Aktionspreis angeboten wird. Mitten im Hauptproduktionsgebiet der Sorte Gala ist Feuer am Dach. Den Produzenten gehen nach drei schwierigen Produktionsjahren beinahe die Emotionen durch.

Mitten in diese Situation hinein schreibt der Obstbauer Robert seine Wut darüber in ein Wutposting auf Facebook. Dieses Posting geht viral, das heißt, innerhalb eines einzigen Tages wurde es etwa 1.400 mal geteilt oder kommentiert. Robert war überrascht.

Sollte er aber nicht. Das Mitgefühl der breiten Bevölkerung mit der Situation der Bauern ist im Unterbewusstsein der Bevölkerung angekommen. Der landwirtschafts-affine Reporter Ulrich, Redakteur einer der größten Tageszeitungen Österreichs, schrieb in einem großen Artikel über diese Aktion und veröffentlichte eine offizielle Stellungnahme der betroffenen Handelskette.

Darin schreibt die Handelskette von einem Fehler, der bei der Bezeichnung unterlaufen sei. Weiters werden in der schriftlichen Stellungnahme die beiden Lieferanten namentlich genannt, um den regionalen Bezug herzustellen. Dies scheint emotional nur teilweise Wirkung zu zeigen. Einer der beiden Lieferanten ist ein alteingesessenes Handelshaus. Der zweite Name ging vor nicht all zu langer Zeit im Zusammenhang mit einer größer angelegten Betrugsgeschichte durch die Presse.

Es gilt natürlich für alle die Unschuldsvermutung und dass Fehler passieren, ist zu tiefst menschlich. Nach dieser Historie regt sich bei manchen die Frage, ob der Fehler absichtlich oder unabsichtlich war. Erfolgte Testkäufe sind auf dem Weg zur Herkunfts-Untersuchung. Das neue Untersuchungsverfahren wird zeigen, was es wert ist.

So ist es, dass eine Unachtsamkeit wie ungarische Äpfel in der Haupternte mitten im Produktionsgebiet per Flugblatt zu bewerben, seine fatalen Folgen hat. Bei aller Nachsicht für eine menschliche Unachtsamkeit - ein absolutes No-Go.

Das müssen die Verantwortlichen zur Kenntnis nehmen. Und mit Robert, dem Blogger, freue ich mich für seinen Erfolg.

Fritz Prem

KOMMENTARE (4) Artikel kommentieren
09.09.2019
16:04 Uhr
Markus Puder
Die Frage ist doch die: Sind die ungarischen Gala den schlechter als die einheimischen Äpfel?
Selbst wenn die besagte Handelskette das Produkt auslistet und den einheimischen Äpfel den "Vorrang" gestattet, was passiert mit der ungarischen Ware? Kommt diese dann über Umwege doch wieder zurück und zu welchem Preis?
Das Problem verlagert sich nur nach hinten...das echte Problem wird durch solche Aktionen nicht gelöst. Wir brauchen einen einheitlichen europäischen Mindestlohn in der Landwirtschaft um diese Marktverzerrung zu bereinigen, oder wenigstens ab zu mildern. Vielleicht auch ein zwei Stufen Mindestlohn -Ost und Westeuropa- erst dann wird eine Produktionskostenangleichung endlich stattfinden. Die Äpfel werden weiter in Polen und in Ungarn und Rumänien wachsen. Und alles was produziert wird kommt auch auf den freien Markt.
10.09.2019
08:51 Uhr
Fritz Prem
Lieber Markus Puder, als Profi in diesem Geschäft kennen sie ja die Hintergründe. Der Mindestlohn in Deutschland und das Lohnniveau zB in Polen sind ein gewichtiger Unterschied, der nicht nur Kostenfragen aufwirft, sondern auch soziale Fragen - wenn Polen schon so billig produziert, warum sollen die Polen dann nicht gleich den Großteil der Äpfel für ganz Europa produzieren? Die Frage ist extrem provokant, denn der Jonagold ist beinahe der Gleiche.
Die Antwort ist der Wunsch der Konsumenten nach regionaler Produktion und Wertschöpfung. Wenn dieser Wunsch durch den dazwischen liegenden Handelsmittler (LEH) aus irgend welchen Gründen ignoriert wird, dann bringt ihn doch nur ein massiver wirtschaftlicher Schmerz dazu, in Zukunft besser auf zu passen. So sind nun mal die Spielregeln in unserem Geschäft.
12.09.2019
19:28 Uhr
Markus Puder
Wahrscheinlich wird das auch so kommen. Wenn der polnische Kollege dann noch politisch korrekt Bio macht müssten alle glücklich sein :-)
25.09.2019
08:06 Uhr
Fritz Prem
Lieber Markus Puder, ich komme leider erst jetzt dazu, zu antworten. Im Biobereich laufen die Spielregeln nicht anders als in allen anderen Bereichen. Das große (offene) Geheimnis in unserem Geschäft ist die Kundenbindung und die damit verbundene Kommunikation mit dem Kunden. Es muss auch den alteingesessenen Bioproduzenten gelingen, ein "besonderes Bio-Produkt" ihren Kunden an zu bieten, damit sie als Anbieter nicht nicht beliebig austauschbar sind.