Wittenberg Gemüse / Elite Frische Service GmbH

Wegwerfen verboten22. September 2019

In einzelnen Ländern Europas gibt es bereits gesetzliche Initiativen, dass vom gesetzlichen Haltbarkeitsdatum her abgelaufene Lebensmittel nicht auf der Müllhalde landen dürfen, solange sie noch bedenkenlos genießbar sind.

Handelsketten und Diskonter werden per Gesetz verpflichtet, nach sinnvollen Lösungen für ihre Restmengen zu suchen. Das ist gut so.

Betrachten wir doch unsere eigene Branche bei diesem Thema. Neben den Bäckerei-Produkten wie Brot sind wir mit unseren Frischeprodukten einer der „Hauptaktionäre“ auf den Listen der Wegwerfgesellschaft.

Bei Brot ist es so, dass in der größten Stadt Österreichs täglich genau so viel Brot ungegessen weg geworfen wird, wie die zweitgrößte Stadt täglich insgesamt verbraucht.

Wir haben mit Obst und Gemüse generell verderbliche Produkte. Technische Lagerungs- und Aufbereitungstechnologien (wie zB. DCA-Technologie) verzögern den Verderb unserer Produkte entscheidend. Die Logistik hat das ihre dazu bei getragen, dass sich die Auftragsreichweiten entscheidend verbessert haben.

Wo liegt also unser Problem?

In der Produktion eines Naturproduktes wachsen nicht alle Produkte heraus wie bei einem Industrieautomaten. Durch gesetzliche und auch durch kundenspezifische Normen wird ein Teil der Früchte nicht in den Handel gebracht und verbleibt zum Teil am Feld.

Am Beispiel eines Apfels beginnt mit dem Öffnen einer DCA-Lagerzelle die biologische Uhr des Apfels zu laufen. Der Lagerhalter muss in Abstimmung mit dem Vertrieb die Entscheidung treffen, welche Lagerzelle wann geöffnet wird. Der Vertrieb hat dafür Sorge zu tragen, dass die gesamte Bandbreite des Lagerzellen-Inhaltes in kurzer Zeit seinen Weg zum Konsumenten findet. Viele Kunden wollen nur ein ganz bestimmtes Segment aus der Sortierung  - und sonst nichts.

Die Gefahr ist gegeben, dass so genannte Randsortimente übrig bleiben und in die Biogasanlage wandern.

Der Einkäufer einer Handelskette kann bei der georderten Menge ordentlich daneben greifen – wenn sich zB kurzfristig das Wetter ändert und die georderten Mengen an Melonen für heiße Tage nach einem Witterungsumschwung in der Kippe landen.

Ein Punkt bleibt in der Öffentlichkeit meist unbeachtet. Es ist ein Teil des Geschäftsmodells, dass bei Großpackungen im Frischbereich davon ausgegangen wird, dass der letzte Teil einer 2-Kilo Tragtasche sowieso im Haushalt verdirbt. Damit ist ein Mengentreiber im Vertrieb gesichert.

Die Hemmschwelle, etwas weg zu werfen ist dann besonders niedrig, wenn ein Produkt sehr billig war.

Fritz Prem

KOMMENTARE (2) Artikel kommentieren
25.09.2019
18:23 Uhr
Jürgen
In dieser Kolumne werden einige richtige Aspekte des durchaus komplizierten Problemkomplexes beleuchtet. Allerdings gehörten zu einer vollständigen Betrachtung noch deutlich mehr Facetten.
Unter anderem finde ich es katastrophal falsch, dass beispielweise Kartoffeln, die als Viehfutter verwendet werden als „food waste“ gerechnet werden wenn der Erzeuger sie absortiert. Wenn der Erzeuger sie direkt als Futterkartoffeln anbauen würde und den Anteil, der Speisequalität erreichte mit verfüttern würde, nicht. Die dann sicherlich weniger streng absortierte Speiseware wäre von schlechterer Qualität, keinem wäre geholfen mit Ausnahme der Statistik.
Ergo der Aspekt welche Mengen wie eingerechnet werden, ist für mich schon sehr zweifelhaft.
Die alte Weisheit „traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast“ hat nichts von ihrem Sinn verloren.
Damit möchte ich keinesfalls in Frage stellen, dass es Lebensmittelverschwendung gibt und diese ein Problem darstellt, allerdings sollte man das von Anfang an mit Bedenken.

Einen anderen bedeutenden Aspekt sehe ich darin, dass in der Praxis nahezu niemand bereit ist Ware abzustufen. Ware, die ausnahmsweise verweigert wurde, nicht der deklarierten Klasse 1 entspricht, wird nicht auf Kl. II abgestuft, der heutzutage niemand Ware der Klasse 2 kauft. Sicherlich gibt es Ausnahmen vor allem im Biobereich, allerdings ist es nach wie vor so das in nahezu allen Fällen Klasse 1 auf der Ware stehen muss, unabhängig davon wie die Ware denn tatsächlich aussieht.
Auch nicht zu vergessen ist, dass die Einzelhändler heutzutage in aller Regel deutlich niedrigere Toleranzen zulassen als es die Normen hergeben würden. Auch dies nicht aus sich heraus, die meisten werden sich an die medialen Hexenjagten vor einigen Jahren erinnern. 2 verschimmelte Erdbeeren in einer Filiale aufgebauscht zu einer Katastrophe, und vergleichbares.
Einer der jüngeren Medienhypes . . . die folierte Biogurke. Ja, durchaus schwer dagegen zu argumentieren, gegen die Massenhysterie. Die Praktiker werden es wissen, der Anteil Biogurken der vor Erreichen der Verkaufsstätte verdirbt und entsorgt wird, ist um ein vielfaches höher. Nebenbei ist in aller Regel jetzt ein Folienbeutel im Kollo, der die Plastikersparnis doch deutlich einschränkt, aber da der Verbraucher ihn nicht mit nach Hause nimmt, nimmt er ihn nicht wahr. Will aber niemand hören, wir kehren es schön unter den Teppich. Auch wenn man jede Verpackung hinterfragen darf, vor allem die Art und Menge des Materials, sollte man nicht vergessen: Verpackungen machen durchaus Sinn, unter anderem die Verringerung von Lebensmittelabfällen.
Ich möchte mit diesem Kommentar darauf hinweisen: man sollte es sich nicht so einfach machen das gesamte Thema an 2-3 Aspekten abzuhandeln. Es gibt hier, wie fast immer, nicht nur schwarz und weiß. Mir ist klar auch die von mir aufgeführten Punkte decken nicht das ganze Feld der Probleme ab, jeder Praktiker wird wissen es gibt noch weitere.

Abschließend noch ein für meinen Geschmack wirklich perverses Beispiel:
Die hier vor Ort völlig überbürokratisierte „Tafel“. An unserem Standort geht es um mehrere hundert Kilo einwandfreie Ware, Anbruchkolli, Verprobungsreste u.s.w. Damit die hiesige Tafel dies abholen würde müsste ich es täglich exakt mit Mengen auflisten und melden, was wir der Tafel schenken würden- durchschnittlich eine Stunde täglicher Arbeitsaufwand. Glücklicherweise gibt es hier immerhin einen Tierpark, der bereit ist diese Ware zu verwerten . .
30.09.2019
20:19 Uhr
Fritz Prem
Hallo Jürgen, ich unterstreiche Ihre Ausführungen voll und ganz. Ich könnte ihnen auch noch weitere absurde Situationen über das Wegwerfen von Lebensmittel schildern. Sehr oft ist aber auch Gedankenlosigkeit dahinter. Wenn eine 2-Kilo Tragtasche mit Äpfel im Supermarkt nur € 1,50 gekostet hat, dann ist eben die Hemmschwelle, den letzten Teil davon davon in die Bio-Tonne zu leeren, sehr gering.