Bestäuber-Leistung: Ökonomischer Nutzen übersteigt wohl bisherige Annahme
Neue Schätzungen: Volkswirtschaftlicher Nutzen der Bestäubungsarbeit von Tieren beträgt im Mittel in Deutschland 3,8 Mrd. Euro pro Jahr. Weltweit 1 Billion US-Dollar oder circa ein Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts ist die Arbeit von Tieren, allen voran von Insekten, bei der Bestäubung von Blüten wert.
Der volkswirtschaftliche Nutzen der Bestäubungsarbeit von Tieren, v. a. von Insekten, beträgt im Mittel in Deutschland 3,8 Milliarden Euro pro Jahr, weltweit 1 Billion US-Dollar. Das ergibt eine neue Simulationsstudie von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim. Foto © Manuel Narjes
Dieser enorme Wert ist das Ergebnis einer neuen Simulationsstudie von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart. Allein in Deutschland würde die Gesellschaft bei einem Wegfall aller bestäubenden Insekten im Durchschnitt rund 3,8 Milliarden Euro verlieren. Nachzulesen sind die Details der Studie jetzt im Fachjournal Ecological Economics: https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2020.106860
Unsere Welt sähe ganz anders aus, wenn nicht Tag für Tag eine Unzahl an tierischen Helfern den Pollen von einer Blüte zu anderen tragen und diese so befruchten würde. Nur dann können viele Pflanzen Früchte und Samen bilden, die nicht nur unserer Ernährung, sondern auch ihrer natürlichen Fortpflanzung dienen und dazu beitragen, dass es in der Natur grünt und blüht.
In Deutschland und Europa leisten vor allem Bienen, aber auch Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten diese Bestäubungsarbeit. In tropischen Breitengraden tragen aber auch Fledermäuse und Kolibris ihren Anteil dazu bei.
Wie wichtig ihr Beitrag bei der Erzeugung von Lebensmitteln ist, zeigt jetzt eine neue Schätzung von drei Wissenschaftlern an der Universität Hohenheim. Dafür simulierten sie in verschiedenen Modellrechnungen, welche Auswirkungen der schlagartige Wegfall aller bestäubenden Tiere auf den Verbrauchernutzen in Deutschland und weltweit haben würde.
Neuer Bewertungsansatz spiegelt realen Wert der Bestäuber-Leistung besser wieder
Apl. Prof. Dr. Christian Lippert und Dr. Manuel Narjes vom Fachgebiet Produktionstheorie und Ressourcenökonomik im Agrarbereich und Dr. Arndt Feuerbacher vom Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik schlagen dabei einen neuen Bewertungsansatz vor: „Bisher wurden solche Schätzungen auf der Basis von Annahmen zur langfristigen Anpassung der Agrarsysteme errechnet. Das ist aus unserer Sicht jedoch nicht korrekt, weil die langfristigen Anpassungsreaktionen sowohl der Agrarökosysteme als auch von Angebot und Nachfrage nicht absehbar sind“, erklärt apl. Prof. Dr. Lippert.
Geringere landwirtschaftliche Erträge verändern Preise und Verbraucherverhalten
In die Simulationen flossen bereits bekannte Abhängigkeitsfaktoren ein. Diese geben für verschiedene Nutzpflanzenarten jeweils an, wie hoch der Anteil am Ertrag ist, der auf Tierbestäubung zurückzuführen ist. So sind bei Äpfeln und Kirschen beispielsweise im Durchschnitt circa 65 % des Ertrags der Bestäubung durch Tiere zu verdanken, bei manchen Pflanzen wie beim Kürbis sind es sogar 95 %, während Getreidearten wie Weizen und Reis Wind- oder Selbstbestäuber sind und keine Fremdbestäubung benötigen.
Bei einem schlagartigen Wegfall aller Bestäuber würde es zu Ernteausfällen kommen, der landwirtschaftliche Ertrag würde sinken und in der Folge würden die Preise steigen – solange bis das reduzierte Angebot und die nachgefragte Menge wieder übereinstimmen. Die Verbraucher verlieren gleich doppelt, weil sie nun weniger Obst und Gemüse bekommen und weil sie für die verbleibende Menge mehr bezahlen müssen.
Ökologische Schäden noch wesentlich höher
„Natürlich können wir so nicht alle ökologischen Auswirkungen eines solch katastrophalen Ereignisses auf die Umwelt und den Menschen erfassen, die weit über die bloßen Schäden durch einen geringeren Ertrag hinausgehen“, betont Dr. Narjes. „Aber solche Schätzungen können das Bewusstsein für die Bedeutung intakter Ökosysteme schärfen und so einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten.“
Den vollständigen Artikel finden Sie hier.
Quelle: Universität Hohenheim
Veröffentlichungsdatum: 17.11.2020