BWGV: Corona hat die Wertschätzung für die heimische Landwirtschaft gesteigert
Getragen von einer ermutigenden Wertschätzung durch die Bevölkerung hat die genossenschaftliche Obst- und Gemüsewirtschaft in Baden-Württemberg das Corona-Jahr 2020 gut gemeistert – und dies trotz teils extremer Herausforderungen. Obwohl die Vermarktungsmengen bei Obst und Gemüse gegenüber dem Vorjahr deutlich geringer ausfielen, wurde der Gesamtumsatz merklich gesteigert.
Tomate Inselperle. Foto © Reichenau-Gemüse eG
„Corona-bedingt konnte insbesondere im Frühjahr nicht immer die komplette Ernte gesichert werden – die fehlenden Saisonkräfte aus dem Ausland haben Spuren hinterlassen“, resümierte Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), bei der digitalen Pressekonferenz der Obst-, Gemüse- und Gartenbaugenossenschaften.
Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands. Foto © BWGV
Doch die Verbraucher hätten in der Pandemie verstärkt zuhause gekocht und dabei häufig auf frische, gesunde und regional erzeugte Lebensmittel gesetzt. „Die Menschen haben erkannt, dass regionale Landwirtschaft einen Wert an sich darstellt“, betonte BWGV-Präsident Glaser und stellte zugleich heraus: „Unsere Landwirte haben sich mit großer Kraft gegen die Krise und ihre Auswirkungen gestemmt und sind ihrer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung mehr als gerecht geworden. Dies verdient großen Respekt.“
Deutlich höhere Umsätze bei Obst – Gemüse-Umsatz stabil
Insgesamt 211.000 Tonnen Obst haben die genossenschaftlichen Erzeugermärkte 2020 vermarktet: Das sind knapp 31.700 Tonnen oder 13 Prozent weniger als im Vorjahr. Mengenrückgänge von rund 12 Prozent verzeichnet die genossenschaftliche Gemüsewirtschaft. Insgesamt wurden 83.000 Tonnen zur Vermarktung angeliefert, knapp 11.700 Tonnen weniger als ein Jahr zuvor. Beim Umsatz können jedoch Steigerungen vermeldet werden: Der Gesamtumsatz der genossenschaftlichen Erzeugergroßmärkte und ihrer Vertriebsgesellschaften belief sich auf 511 Millionen Euro, ein Plus von 19 Millionen Euro oder vier Prozent. Die Obstumsätze lagen 2020 bei 206 Millionen Euro (Vorjahr: 177 Millionen Euro) – ein Plus von 16 Prozent. Gemüse erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 251 Millionen Euro (Vorjahr 253 Millionen Euro) – ein leichtes Minus von 0,9 Prozent. Glaser: „Die höheren Umsätze haben die Betriebe dringend benötigt, um die stark gestiegenen Ausgaben durch Corona zumindest teilweise abfedern zu können. Die Auflagen hinsichtlich Hygiene und der Unterbringung von Hilfskräften haben zum Teil hohe Investitionen erfordert.“
Die Rückgänge bei der Obst-Vermarktungsmenge sind insbesondere den Äpfeln geschuldet: Rund 30.000 Tonnen (minus 14 Prozent) Äpfel wurden weniger vermarktet gegenüber dem allerdings überdurchschnittlich starken Apfel-Jahr 2019. Weitere Rückgänge gibt es bei den Zwetschgen zu vermelden (minus 26 Prozent) sowie bei den Erdbeeren (minus 5 Prozent). Dass Umsatzsteigerungen erzielt werden konnten, lag an zum Teil deutlich höheren Erlösen. Ursächlich sind hierbei vor allem ein Umsatzplus von fünf Prozent bei den Erdbeeren sowie von 23 Prozent bei den Äpfeln. „In der Corona-Krise haben die Verbraucher stark gesunde und haltbare Artikel nachgefragt. Das kam den Äpfeln zugute“, so Glaser. Im Zuge dessen stiegen die Verkaufserlöse für die Erzeuger um 44 Prozent. Mit gut 107 Millionen Euro lag der Umsatz durch Äpfel im Jahr 2020 um rund 23 Prozent höher als im Jahr zuvor (87 Millionen Euro). Die baden-württembergische Apfelernte im Jahr 2019 war mit rund 400.000 Tonnen gut – und dementsprechend lief auch die Vermarktung 2020 ohne Mengenengpässe. Auch in diesem Jahr können die Verbraucher auf ausreichend regionale Äpfel vertrauen: Im Jahr 2020 haben die Bauern eine Ernte auf Vorjahresniveau eingeholt, also ebenfalls wieder rund 400.000 Tonnen. Diese werden nun bis zur neuen Ernte im Herbst stetig in die Regale des Lebensmitteleinzelhandels gelangen.
Rote Paprika. Foto © Reichenau-Gemüse eG
Erdbeeren: Weniger Menge, aber mehr Umsatz
Durchschnittlich 3,06 Euro erzielten die Erzeugermärkte vergangenes Jahr pro Kilogramm Erdbeeren, das sind rund zehn Prozent mehr als im Vorjahr (2,78 Euro). Insgesamt vermarkteten die Genossenschaften knapp 8.000 Tonnen, das sind 400 Tonnen oder fünf Prozent weniger als 2019. Dank der höheren Preise stieg der Umsatz um fünf Prozent auf 24,4 Millionen Euro (Vorjahr: 23,4 Millionen Euro). „Bis zum Beginn der Ernte der ersten Freiland-Erdbeeren in der ersten Maihälfte waren bereits zahlreiche Erntehelfer aus dem Ausland wieder verfügbar, sodass es keine großen Ernteausfälle gab“, berichtete der BWGV-Präsident.
Bei den Zwetschgen sank die Vermarktungsmenge um 26 Prozent auf rund 8.800 Tonnen (Vorjahr: 11.900 Tonnen). Der Umsatz reduzierte sich um sechs Prozent auf 8,95 Millionen Euro (Vorjahr: 9,5 Millionen Euro.) „Die Ernteausfälle sind vor allem Spätfrösten Mitte Mai geschuldet, die den Ertrag bei den frühen Zwetschgen-Sorten belasteten“, erklärte Glaser. Darüber hinaus reduziert sich die Anbaufläche für Zwetschgen perspektivisch schon seit einiger Zeit. „Die Zwetschgenproduktion wird in den kommenden Jahren weiter rückläufig werden“, betonte der BWGV-Präsident.
Zwetschgenernte. Foto © Obstgroßmarkt Mittelbaden eG
Spargel: Historisch niedriger Absatz durch Corona-Auswirkungen
Die Spargel-Saison 2020 startete ungewöhnlich früh, wobei die Vermarktung durch das Einsetzen der Coronavirus-Pandemie ab Mitte März stark eingeschränkt wurde. „Ernte- und Krisenbeginn fielen zusammen“, stellte Glaser heraus. Mit 4.700 Tonnen lag die Absatzmenge daher auf einem historisch niedrigen Niveau und 14 Prozent unter dem Vorjahr, als noch 5.500 Tonnen geerntet und vermarktet wurden. „Die fehlende Unterstützung durch ausländische Saisonarbeitskräfte aufgrund von Grenzschließungen und Quarantäneregelungen hat die Spargelbauern sehr hart getroffen. Konzepte zum Umgang mit der Pandemie lagen in dieser frühen Phase noch nicht vor und wurden erst nach und nach erarbeitet“, so der BWGV-Präsident. Manche Felder hätten überhaupt nicht abgeerntet werden können, sodass diese Felder für die komplette Saison ausgefallen seien. Glaser: „Wenn der schnell wachsende Spargel nicht rechtzeitig gestochen wird, fällt die Pflanze für die komplette Erntezeit aus. Er grünt innerhalb von 24 Stunden aus und ist für die Saison verloren.“
Darüber hinaus machte den Spargelbauern zu schaffen, dass die Gastronomie als Abnehmer des ersten deutschen Spargels in der Saison wegfiel. „Die große Bereitschaft der Bevölkerung im Frühjahr, auf dem Feld mitzuhelfen und die Betriebe bei der Ernte zu unterstützen, war überwältigend“, bedankte sich Glaser. Vor allem Studierende und Mitarbeitende aus der Gastronomie hätten sich spontan bereit erklärt, zu helfen. Auch wenn diese Aushilfskräfte naturgemäß die erfahrenen Saisonkräfte nicht in Gänze ersetzen konnten, so sei dies doch ein ungemein ermutigendes und wertschätzendes Signal gewesen. Diese Wertschätzung für den regionalen Spargel spiegelte sich auch in deutlich gestiegenen Kiloerlösen wider: Der durchschnittliche Kilopreis lag 2020 bei 5,33 Euro (Vorjahr 4,62 Euro). Mit 25,2 Millionen Euro konnte somit der Gesamtumsatz des Vorjahres nahezu gehalten werden (minus 1 Prozent).
Zufriedenstellend verlief die Saison für Tomaten: Mit 19.000 Tonnen lag die Erntemenge zwar um 1.000 Tonnen oder sechs Prozent unter dem Vorjahr. Bei einem gleichzeitig auf 2,14 Euro pro Kilogramm gestiegenen Durchschnittserlös (Vorjahr: 1,94 Euro) wurde mit 40,6 Millionen Euro ein Umsatzplus von vier Prozent erreicht. Bei Paprika gelangte mit 4.350 Tonnen rund zwei Prozent weniger Menge in die Vermarktung als 2019. Auch hier konnte der Umsatz aufgrund höherer Durchschnittserlöse gesteigert werden: um vier Prozent auf 10,9 Millionen Euro. Tomaten, Spargel und Paprika sind die drei umsatzstärksten Gemüsesorten der genossenschaftlichen Erzeuger in Baden-Württemberg. Sie steuern rund 30 Prozent des Gesamtumsatzes im Gemüse-Sektor bei.
Auswirkungen durch Pandemie und Trockenheit
„Die Unsicherheit im Frühjahr, ob und wie eine Einreise und die Unterbringung der Saisonarbeitskräfte gestaltet werden könne, hatte Folgen für die gesamte Saison und schlug sich in den Ernte- und Vermarkungsmengen von Obst und Gemüse nieder“, erklärte Glaser. Denn manche Erzeuger hätten auch bei der Aussaat verhalten agiert, beziehungsweise nicht ausreichend Helfer dafür gehabt. Große Auswirkungen hat dies auch auf die Salaternte in Baden-Württemberg gehabt: Bei den Salaten war der Rückgang beim Absatz mit rund 30 Prozent auf 9,8 Millionen Stück und beim Umsatz mit rund 20 Prozent auf 8,7 Millionen Euro sehr deutlich. Zusätzlich zu den Auswirkungen durch die Corona-Pandemie hatte die Landwirtschaft 2020 im dritten Jahr in Folge auch mit einem sehr trockenen Sommer zu kämpfen. „Die Erzeugerbetriebe reagieren auf diese klimatischen Veränderungen etwa mit ressourcenschonender Tröpfchenbewässerung oder dem Anbau von Pflanzen, die eine höhere Toleranz gegenüber Trockenheit haben“, betont der BWGV-Präsident. Für ihn ist klar: „Der geschützte Anbau wird im gesamten Obst- und Gemüsebereich immer wichtiger.“
Gartenbaugenossenschaften stark durch Lockdown betroffen
Die Gartenbaugenossenschaften in Baden-Württemberg haben mit ihren Mitgliedern einen Gesamtumsatz von rund 30,8 Millionen Euro erzielt – ein Minus von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Verkauf von Blumen und Pflanzen erfolgt bei den meisten Blumengroßmärkten in Eigenregie der Mitglieder. „Die Blumengroßmärkte und die Mitglieder waren von der Corona-Pandemie ebenfalls stark betroffen“, betont Glaser. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben mussten die Blumenläden, die Hauptkunden auf den Blumengroßmärkten, ihre Geschäfte schließen. „Viele haben zwar einen Hol- und Bringdienst eingerichtet, doch die Ausfälle konnten damit nicht kompensiert werden“, erklärte der BWGV-Präsident.
Positiver Blick auf das laufende Obst- und Gemüsejahr
Positiv schauen die Obst- und Gemüsegenossenschaften auf das aktuelle Jahr: Die tiefen Temperaturen im Winter mit durchgängigen Frostperioden hätten den Böden gutgetan. „Der bisherige Vegetationsverlauf stimmt zuversichtlich, auch wenn er etwas in Verzug ist“, so Glaser, der nicht mit großen Mengen an Freiland-Spargel sowie ersten Erdbeeren zu Ostern rechnet. Wichtig war dem BWGV-Präsidenten zu betonen: „Die gestiegene Wertschätzung aus der Bevölkerung für ihre Arbeit lässt die Gärtnerinnen und Gärtner sehr motiviert in die Saison starten.“ Glaser hofft, dass diese Wertschätzung auch in Zukunft erhalten bleibt und möglichst noch weiter ausgebaut werden kann. „Unsere Landwirte und deren Genossenschaften sind systemrelevant“, betonte Glaser, der in diesem Zusammenhang die Kampagne „Wir versorgen unser Land“ des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz lobte: „Sie bringt vorbildlich die wichtige Arbeit der Landwirtschaft und der Genossenschaften auf den Punkt und ins Bewusstsein der Verbraucher.“ In Bezug auf die Corona-bedingten Standards bei Hygiene sowie den Arbeitsweisen und der Unterbringung von Saisonkräften seien die Betriebe gut vorbereitet. Glaser: „Unsere Erzeuger haben ihre Hausaufgaben gemacht.“
Glaser: "Beim Insektenschutz sind alle gefordert"
Darüber hinaus plädierte Glaser dafür, Klima- sowie Insekten- und Artenschutz als gemeinschaftliche Aufgabe zwischen Gesellschaft, Landwirtschaft und Naturschutz zu betrachten: „Unsere Landwirte haben das größte Interesse daran, Klima, Böden und Insekten zu schützen. Sie sind ihr größtes Gut und sie leben davon“, erklärte Glaser. Mit Blick auf den Insektenschutz und die Biodiversität in Baden-Württemberg stellt er heraus, dass gerade auch kultivierte Landschaften wichtig für die Biodiversität seien. Rein auf Verbote zu setzen und etwa pauschal den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu untersagen, sei der falsche Weg: „Dies kann Ernteausfälle nach sich ziehen, die landwirtschaftliche Wertschöpfungskette massiv beeinträchtigen und dazu führen, dass Kulturlandschaften aufgegeben und noch mehr Lebensmittel importiert werden müssen“, so Glaser, der herausstellte: „In Baden-Württemberg gehen Landwirtschaft und Artenschutz Hand in Hand, und das im Juli 2020 in Kraft getretene Biodiversitätsstärkungsgesetz stärkt die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Dies kann Vorbild für Initiativen und gesetzliche Ausgestaltungen auch auf Bundesebene sein.“ Außerdem rief der BWGV-Präsident dazu auf, Insektenschutz nicht nur als Aufgabe der Landwirtschaft zu sehen: „Beim Insektenschutz sind alle gefordert. Nachts beleuchtete Betonflächen und Steingärten bieten keinen Lebensraum.“ Die Landwirtschaft im Südwesten gehe hier mit gutem Beispiel voran und habe bereits im Jahr 2019 rund 16.500 Hektar insektenfreundliche Blühflächen gezählt.
Die 21 Obst-, Gemüse- und Gartenbaugenossenschaften sowie genossenschaftlichen Vertriebsorganisationen in Baden-Württemberg werden von rund 3.800 Einzelmitgliedern getragen.
Quelle: BWGV
Veröffentlichungsdatum: 15.04.2021