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Dr. Marcel Moll über die Möglichkeiten des Gewächshausanbaus Interview: Wirklich gute Effizienz und Erträge

06. Februar 2025

Gurken, Paprika und Tomaten gehören zu den beliebtesten Gemüsesorten. Vor allem jetzt im Winter kommen sie hauptsächlich aus Gewächshäusern in Südeuropa, wo die Sonneneinstrahlung höher ist als in anderen europäischen Ländern.

In Spanien können sie dank der vielen Sonnenstundenenergieeffizient angebaut werden, berichtet das Presse- und Kommunikationsbüro der Kampagne „Es kommt aus dem Gewächshaus. Nachhaltiges Obst und Gemüse aus Europa.“


Foto © ausdemgewächshaus

„Wir sprachen mit Dr. Marcel Moll über die Möglichkeiten des Gewächshausanbaus: Er leitet eine Arbeitsgruppe für Sonderkulturen im geschützten Anbau am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz - Nachwachsende Rohstoffe an der Fakultät für Agrar-, Ernährungs- und Ingenieurwissenschaften der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.“


 

Inwieweit haben Gewächshäuser in Südeuropa einen Vorteil in Bezug auf den Energiebedarf?

Es wird dort auf vergleichsweise kleinem Raum sehr viel produziert, weil die Wege kurz sind und die ganze Infrastruktur darauf ausgelegt ist, diesen Anbau möglich zu machen. Auch der Energiebedarf von Gewächshäusern in Nord- und Südeuropa unterscheidet sich, weil in Südeuropa die Sonne länger und intensiver scheint. In Mittel- und Nordeuropa nehmen einige Erzeuger zusätzliche Stromkosten in Kauf, um möglichst lange zu produzieren, andere schließen ihr Gewächshaus im Oktober/November und fangen im Frühjahr erst wieder an. In Spanien kann man länger das Sonnenlicht nutzen und es ist wärmer, also muss nicht so viel geheizt werden: Insofern braucht man natürlich weniger Energie.

Generell ist festzuhalten, dass Gemüse aus Südeuropa nach wie vor hierher gebracht werden muss, aber wenn man bestimmte Sorten das ganze Jahr über haben will, muss man sie importieren. Im großen Stil gibt es in Deutschland einfach keine andere Möglichkeit.

Trägt der Anbau in Gewächshäusern dazu bei, die Ernährung trotz Klimawandel sicherzustellen?

Grundsätzlich ja. Das gilt für den geschützten Anbau allgemein, zu dem neben Glashäusern auch Folientunnel, Folienhäuser und Indoor-Farming gehören, also der Anbau zum Beispiel in ehemaligen Industrie-Hallen. Das alles kann dazu beitragen, dass man Klimawandelphänomene erst einmal losgelöster von der Produktion sehen kann. Extrembeispiel Indoor-Farming: Wenn ich in einer alten Lagerhalle produziere, kann ich unter kontrollierten Bedingungen anbauen, egal, ob draußen die Sonne scheint, es regnet oder stürmt. Auch Effizienz und Erträge sind in Gewächshäusern wirklich gut.

Wichtig ist aber, Gewächshäuser als einen Baustein unter mehreren zu sehen. Wir brauchen auch den Anbau im Freiland. Auch unter Klimawandelbedingungen wird es nicht möglich sein, ganze Länder mit Gewächshäusern zu überbauen.


Foto © ausdemgewächshaus

Trägt diese Anbauform zu Europas Ernährungssouveränität bei?

Natürlich, Ernährungssouveränität wird durch alles gefördert, was wir selber machen. Allerdings ist Souveränität auf europäischer Ebene sehr groß gedacht; eine gewisse eigene Souveränität auf staatlicher Ebene sollte auf jeden Fall auch hinzukommen – das ist beim Beerenobst vielleicht nicht so relevant, aber sicher, wenn es darum geht, durch entsprechende Kalorien die Ernährung sicherzustellen.

Wie wichtig sind Obst und Gemüse aus Gewächshäusern für deutsche Verbraucher und wie beurteilen Sie ihre ernährungsphysiologischen Eigenschaften?

Sie sind auf jeden Fall wichtig, weil Konsumenten Obst und Gemüse länger im Jahr haben möchten als dies über eine rein heimische Produktion möglich wäre. Befragt man die Leute, sprechen sich zwar fast alle für regionale Produkte aus, aber das Verhalten im Supermarkt zeigt etwas anderes.

Was die Ernährungsphysiologie betrifft, so kann man sagen, dass bei einer guten Kultivierung kein Unterschied zwischen Gewächshaus- und Freilandprodukten festzustellen ist. Der Unterschied besteht darin, dass mit dem Produktionssystem der Gewächshäuser mehr Pflanzen und Qualitätsprodukte schneller produziert werden können. 


Foto © ausdemgewächshaus

Welche Rolle spielt die Kreislaufführung des Wassers im Gewächshaus?

Ohne geschlossene Kreislaufsysteme ist die Wassersituation sehr problematisch. In modernen Gewächshäusern sind geschlossene Kreislaufsysteme heute die Norm: Die Pflanzen werden bewässert, das Wasser wird gesammelt, aufbereitet und in den Kreislauf zurückgeführt. Alles andere ist auf lange Sicht nicht nachhaltig.

Trägt die Fruit Logistica als wichtige Erzeugermesse dazu bei, den Anbau in Gewächshäusern zu fördern?

Solche Veranstaltungen bieten die Möglichkeit, Netzwerke zu erweitern und zu schauen: Was ist der Stand? In welche Richtung kann man sich weiterentwickeln – oder muss es sogar, weil die Konkurrenz das tut? Innovationen werden dabei durch verschiedenste Multiplikatoren weiter nach vorne getragen; ohne geht es kaum.

Wie wird die Obst- und Gemüseproduktion in Europa künftig aussehen?

Divers. Es wird ein Zusammenspiel sein aus großen Komplexen, um ganzjährig viele Dinge produzieren zu können, langfristig vielleicht aber nicht in einem Maßstab und Preissegment wie heute: Es wird teurer sein müssen, um konkurrenzfähig zu sein. Es wird weiterhin viel Regionales geben, weil das vom Verbraucher gewünscht ist, aber das wird nicht so breit gestreut sein können, was das Produktportfolio angeht. Obst und Gemüse gehören zu unserer Ernährung dazu, sie sind wichtig, deshalb wird es verschiedenste Wege geben.

 

Veröffentlichungsdatum: 06.02.2025

Schlagwörter

Interview, Effizienz und Erträge, Dr. Marcel Moll, Gewächshausanbau